Samstag, 1. November 2008
1. November - Steine
Eine flache Schale habe ich extra besorgt. Viereckig mit gerundeten Ecken. Dort ruht nun der Ostseesand und auf ihm ein paar uralte Steine.

Natürlich ist ein Hühnergott dabei. Ein Stein mit Loch. Im Hühnerstall - so sagt es die Überlieferung - soll er bewirken, dass die Hühner mehr Eier legen und die Füchse von ihnen fern gehalten werden. Ob das wirkt, werde ich nun erproben.

Vielleicht hilft dieser Hühnergott und der große auf dem Fensterbrett zwischen den Blumentöpfen mir dabei "mehr Eier" zu legen, also noch kreativer zu sein und vielleicht sogar ein paar goldene, diamantene oder kunterbunte "Eier" zu legen. Wohlmöglich werden die im ganzen Hause verteilten Hühnergötter tatsächlich auch die Füchse fernhalten, die listigen Gedanken und vorwitzigen Zweifel. Wenn ich daran glaube, wird es so sein.

Aber ich habe nicht nur Hühnergötter gesammelt. Im sandigen Bett liegen auch noch ein paar interessant geformte Sedimentgesteine. Glattgeschliffene Kiesel zu einem Turm aufgeschichtet. Ein hellgrauer auf einem glitzernden dunkelgrauen auf einem tiefschwarzen auf einem weißen Stein. Insgesamt herrschen die schwarzen, weißen und grauen Töne vor. Den gelben Feuerstein und die rosafarbenen und blauen Steine habe ich woanders aufbewahrt. November

... link (0 Kommentare)   ... comment


31. Oktober - Wieder daheim
Ein paar Tage war ich getrennt von meiner gewohnten Umgebung und kehre zurück in Vertrautheit. Aber als erstes nehme ich mir Zeit. Dann Ruhe. Dann Zweisamkeit.

Ich ordne und pflege. Lasse dann alles los und gönne mir noch mehr Zeit. Der Rhythmus des Meeres pulsiert noch in meinem Blut und lässt mich den Staccato der täglichen Hektik noch ein paar köstliche Tage ignorieren.

Vielleicht für immer. Oktober

... link (0 Kommentare)   ... comment


30. Oktober - Ostsee-Elfchen
Wind

fegt um

das Haus. Sicher

behütet es unseren Schlaf.

Geborgenheit!



Kuscheln

in warme

Kissen und sägen,

was Marilu halten kann:

Damp



Vier

lachende Schwestern

stehen am Strand

und tanzen im Sonnenaufgang:

Magie!



Löcher

suchen am

Strand mit Stein

drumherum für Marions Mobilé:

Hühnergötter! Oktober

... link (0 Kommentare)   ... comment


29. Oktober - Das Meer
Allein und mir selbst genug balancierte ich am Rande der See. Mit zuverlässigem Schlag warf sich das Meer an den Strand, zog sich zurück und rollte aufs Neue.

Goldenes Sonnenlicht ließ das Wasser bis zum Horizont in Azur mit einem Hauch Gletscherblau erstrahlen. Hyperrealistisch. Höher als die Wirklichkeit. Sich einbrennend in die Seele, tief hinabsinkend in jede Zelle. Es lockte mich das Wasser.

Also zog ich die Schuhe und Strümpfe aus, rollte die Hosenbeine bis zum Knie hinauf und durchwatete einer Sandbank folgend das seichte Wasser in zwei, drei Meter Entfernung vom Ufer. Die Wellen schlugen höher und zogen an meinen Beinen. Es schien als würden die vier Fünftel Wasser in mir sich nach Vereinigung sehnen und drängen. Um Auflösung in der Ursuppe, dem ewigen Meer bitten. So einfach loszulassen und sich mit Quallen und Larven und Seesternen und Fischen und Krebsen und Plankton und Algen zu vereinen zu einem langsamen Tanz. Die Last und Lust der Einheit. Sehnsucht greift nach mir mich aufzulösen in der Weite und Tiefe des Meeres. Wieder Wasser mit allen Wassern zu sein.

Aber ich bin Fleisch gewordenes Wasser, geordnete Wimmelei, hochspezialisierte Zellen haben ihre Freiheit geopfert um mich autonomes, einzigartiges Wesen zu formen, das nun dort auf Milliarden Jahren alten Steinen steht. Den weiten seit Äonen wartenden Himmel über sich. Oktober

... link (0 Kommentare)   ... comment


28. Oktober - Schwanenpantomime
Schwäne machen es sich hier an der Ostsee gerne in Strandnähe gemütlich. Im flachen Wasser treiben sie dahin und gründeln. Mit einem entschlossenen zurückwerfen ihre Kopfes lassen sie ihre Ernte den Schlund hinabrollen.

Von April bis September ist dieser Teil des Strandes für Spaziergänger gesperrt und allein den brütenden Vögeln vorbehalten. Nun im Oktober scheinen die Brutgeschäfte erledigt und wir Touristen dürfen auch hier im hellen Sand am Rand des Meeres balancieren.

Das Rauschen der See schien mich von den übrigen Spaziergängern zu entfernen und ganz der Beobachtung der Natur zu öffnen. Ein junger Schwan, dick und mächtig aber immer noch in graues Gefieder gekleidet, schwamm nahe am Ufer. Nicht weit von ihm entfernt ein etwa gleichgroßer, weißer Schwan. Immer wieder ins salzige Wasser abtauchend. Als ich mich dem grauen Schwan langsam aber unaufhaltsam näherte, dachte ich nach über die Geschichte vom vom hässlichen Entlein. Ich fragte mich, ob dieser minderjährige Schwan nicht recht spät dran sei, ob Schwäne nicht auch in den Süden ziehen.

Dabei beobachtete ich den Grauen, der ein wenig gelangweilt im Wasser entlangdümpelte, als plötzlich der weiße Schwan durch das Heben seines orangefarbenen Beines aus dem Wasser meine Aufmerksamkeit auf sich zog. Er streckte es nach hinten aus als mache er Stretching. Dann wandte er sich ganz mir zu und enfaltete für einen kurzen Augenblick seine Schwingen, breitete sie aus und streckte mir fast spielerisch in Zeitlupe den Hals entgegen. Eine Drohung nur und ich verstand sofort.

"Wag es nicht meinem Kinde zu nahe zu kommen, sonst bekommst du es mit mir zu tun." Respektvoll entfernte ich mich mit zügigen Schritten. Ohne es zu Beabsichtigen hatte ich eine Grenze überschritten und war mit einer wohlwollenden Ermahnung davongekommen. Oktober

... link (0 Kommentare)   ... comment


27. Oktober - Meeresrauschen
Das Meer rauscht und plätschert und perlt und sprüht und tanzt seinen ganz eigenen Tanz mit dem Wind und der Kraft der Gezeiten. Weit fort am Horizont ziehen große Tanker vorbei. Wie kleine rote Spielzeuge. Fast kann ich sie mit der Hand greifen. Möwen schreien. Salzige Luft legt sich auf meine Haut. Der beständige Grundton des Meeres trennt mich von allen anderen und zieht mich unausweichlich in den Bann der See.

Trotz der Kälte muss ich wenigstens meine Hand das Wasser berühren lassen. Und die See brandet auf, umspült meine Finger, benetzt meinen Handrücken. In ewigem Geben und Nehmen zieht sie hinab und speit wieder aus. Hineinstürzen mag ich mich und mich vereinen, versinken in der kühlen Tiefe. Die Geborgenheit lockt mich. Nur mein Verstand sagt mir, wie unpraktisch es sei, bei einer Lufttemperatur um 10 Grad Celsius sich ins Meer zu stürzen. Ohne Badekleidung, ohne Handtuch, so völlig besinnungslos.

Schade. Vielleicht lüftete ich sämtliche Geheimnisse der Welt, wenn ich nicht täte, was praktisch, oder nicht lasse, was unnötig erscheinen mag. Oktober

... link (0 Kommentare)   ... comment


26. Oktober - Ankommen
Nach langer Fahrt ankommen, fünf Tage liegen jetzt vor uns. Tage voller Möglichkeiten. Tage voller Geheimnisse. Tage voller Begegnungen.

Jede von uns ergreift auf ihre Weise Besitz von dem Raum, den wir in den nächsten Tagen teilen werden. Die Betten werden ausgelost. Die Kleidung und wichtigen Besitztümer wohl verstaut. Die Schreibkladden, die Stifte, die Zeitschriften, Scheren und Kleber, um Collagen herzustellen, bereitgelegt. Pläne werden geschmiedet. Und beschlossen sich einfach nicht daran zu halten, wenn "gerade etwas Anderes dran ist".

Seltsame Einigkeit und Achtsamkeit herrscht zwischen uns. Mit Respekt und Liebe begegnen wir einander. So entfalten sich zwischen uns Flügel, die uns zum Himmel tragen. Gespinste, die alte Trauer umweben und in Leichtigkeit wandeln. Fünf unendliche Tage liegen vor uns und alles ist möglich. Oktober

... link (0 Kommentare)   ... comment