Dienstag, 26. Mai 2009
Augen auf und auf und auf
Warum eigentlich die Augen?

Ich weiß es nicht.

Vielleicht nur als Stellvertreter für alles, für alle Sinne, die ich aufsperre und sensibilisiere.

Wie schmeckt die Welt?

Wie schmeckt sie wirklich?

Nicht die Erinnerung an eine Erdbeere, nein, nur sie selbst zählt, hier und jetzt. Welcher Geschmack breitet sich aus, die winzigen Körnchen in den Vertiefungen der Schale, der kleine Widerstand beim Hineinbeißen, der Geruch kaum wahrnehmbar, eher grün statt rot, milde Süße, auf keinen Fall wie Erdbeergeschmack, der nur aus ollen Pilzen und vergammeltem Holz zusammenkomponiert ist.

Wie sehe ich die Welt?

Ich, nicht meine Eltern, meine Lehrer, mein Mann, meine Freunde.

Finde ich Worte für das, was ich sehe?

Plötzlich tun sich Abgründe auf, weil mir die Worte fehlen, um auszudrücken, was ich sehe und fühle. Sogar Bilder fehlen immer wieder, allein die Geschichten, die erzählt werden in Filmen, in Büchern. Entweder Geschichten von Männern oder von Frauen in einer Männerwelt.

Aber wie sind Frauen wirklich, abseits des Klischees, dem sie gefälligst nachzueifern haben.

Manchmal langweilt er mich so dieser Boys-Stuff (Jungskram). Immer spielen die nur: Monopoly, Risiko, Mensch ärgere dich nicht – nur dass echte Menschen, echte Schicksale daran hängen.

Augen auf und auf und auf.

Auch Männer sind anders. Sie leiden auch an diesem Boys-Stuff, an dieser Männerwelt – manchmal. Aber das ist deren Problem.

Ich will endlich die Welt der Frauen sehen. Was machen die eigentlich in der Jurte oder sonstwo, wenn der liebe Mongolenopa mit seinem Enkel das Adlerküken zum Abrichten aus dem Nest klaut?

Welche Traditionen geben die Frauen weiter? Haben sie eigene Traditionen, die sich nicht auf die Männerwelt beziehen? Was gibt die Mutter der Tochter weiter außer:

„Ducke dich beizeiten“,

"Sei nachsichtig und freundlich, ein Mann bleibt immer ein großer Junge“,

"Strahle nicht zu sehr, deine Talente sind nicht gefragt“,

„Gib dich hin und hin und hin.“

Aber ich will mich nicht hingeben.

So kann doch Frausein nicht gemeint sein, dass ich immer nur geben und dasein und trösten und entscheiden und verantworten soll, aber die Lorbeeren steckt sich ein anderer aufs Haupt.

Wieso ist das so, dass Frauen immer noch so oft und bereitwillig sich selbst klein machen, damit ein Mann sich größer fühlen kann und sich nicht seiner Unzulänglichkeit schämen muss?

Wie soll dann überhaupt jemand wachsen?

Ich möchte eine Kultur des Wachsens, ein Aufgehobensein inmitten starker Frauen, die mir Vorbild sind, die mich anspornen, sie zu übertreffen, damit ich lerne auch mich übertreffen zu lassen.

Aber nicht als Bonsai sondern als starker Baum neben dem anderen, stolz und gerade, vielleicht von Sturm und Blitz gebeutelt, aber in den Himmel wachsend.

Dieses Gefühl ist so stark in mir.

Ich, ich, ich.

„Ach“, meldet sich dann ein Stimmchen, „sollte ich nicht Ichlosigkeit anstreben?“

Dabei komme ich da doch gerade her. Sogar Buddhismus – die originale Lehre – ist nur was für Männer.

Wo ist meine Religion?

Wer singt meine Lieder?

Wer erzählt meine Geschichten?

Wer bereitet mir einen Raum?

Da bleibt doch erst einmal nur ICH, ICH, ICH – und andere Frauen, die genauso fühlen wie ich.

Augen auf, Sinne auf, Herz auf, Hand auf. Trage mich in die Weite. Taggedanken

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