Mittwoch, 31. Dezember 2008
31. Dezember - Neuanfang
Natürlich könnte jeder Tag des Jahres als der letzte Tag desselben und als der Beginn eines neuen, hoffnungsvollen, wunderbaren Zeitabschnitts gelten.
In der Tat feiern die unterschiedlichen Religionsgemeinschaften der Welt auch an unterschiedlichen Tagen ihr Neujahrsfest. Das wichtige ist also nicht der jeweilige Tag sondern der Neuanfang!

Es gilt zu würdigen, dass es einen Zyklus von Werden, Wachsen und Vergehen gibt. Alles beginnt immer wieder von Neuem. Immergleich aber doch mit unerwarteten Varianten und unerklärlichen Möglichkeiten. Gleichgültig in welchem Land dieser Erde wir leben. Einen Tag im Jahr gibt es überall, an dem wir die alten Geister hinaustreiben aus ihren Ritzen und Winkeln. Dann ist es vorbei mit deren Bequemlichkeit und ihrer Einmischung.

Wir tragen den Abfall hinaus und verbrennen ihn zu Ehren der Wiedergeburt des Lebens. Leben verschwendet sich, verschenkt sich und ist doch heilig. Für das Leben zahlt keiner einen Preis. Nicht der Tod ist der Preis für das Leben. Der Tod ist die Voraussetzung für das Leben. Ohne Ende, kein Anfang. So einfach ist das. Bewahre es wie ein Juwel in deinem Herzen, damit es dir leuchte in dunklen Zeiten. Dezember

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Dienstag, 30. Dezember 2008
30. Dezember - Olle Geister
In dieser Zeit zwischen den Jahren, zwischen Heiligabend und Dreikönigstag, da kommen sie aus ihren Ecken, die ollen Geister der Vergangenheit. Manche gähnend und sich am Kopf kratzend. Wieso sollen sie jetzt schon wieder? Auch ein oller Geist hätte ja gerne mal seine Ruhe.

Aber so ist das eben, zwischen den Jahren, in den Rauhnächten, vor allem bei Neumond, da besteht Anwesenheitspflicht. Also schleppen sich die Geister aus den Ritzen der Dielenbretter, schlüpfen durch die Gipslöcher aus den Wänden, schweben ganz langsam durch die Dunstabzugshaube in die Küche.

Plötzlich sinkt die Raumtemperatur um 3 bis 4 Grad. Staub und vergessene Gerüche schweben durch das Haus. Es knackt und knorzt im Gebälk. Die Menschen schütteln sich und sagen Dinge wie: "Ist aber kalt heute!" Dann drehen sie die Heizung etwas weiter auf oder legen noch einen Scheit ins Feuer.

Katzen können die Geister sehen. Die alten Kater lassen sich gar nicht weiter stören. Aber junge Katzen springen die Wände hinauf, versuchen diesen Hauch von Nichts zu fangen. Natürlich gelingt es ihnen nicht. Die ollen Geister streifen durchs Haus, legen sich probeweise aufs Sofa, inspizieren den Backofen und die unaufgeräumten Schubladen. Manchmal bringen sie die noch ein bisschen mehr durcheinander.

Die meisten Menschen haben kein Empfinden für sie. Sie wischen nur ein bisschen mehr Staub fort als sonst. Das komme von der trockenen Heizungsluft, sagen sie dann. Es gibt nur wenige Menschen, die sprechen mit den Geistern in ihren Träumen, betrachten mit ihnen die Sterne und schauen zu wie der Atem dabei gefriert in der dunklen, klaren Nacht. Wenn die Schatten flüstern. Dezember

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29. Dezember - Mutig wie ein Mäuschen
Seine Nasenspitze zittert. Wenn Sebastian Schnurrhaare hätte, würden auch die jetzt zittern. Unheimlich ist das heute in dem alten Haus von Oma. Mama ist in der Küche mit ihren Geschwistern, den Onkeln und Tanten, den Nachbarn von links und von rechts. Sie nehmen Mama in den Arm und helfen Kaffee kochen und Brote schmieren.

Die Oma liegt im Wohnzimmer, in ihrem Lieblingssessel. Sie atmet nicht mehr. Mama hat eine Decke über sie gelegt. Aber Omas Gesicht ist nicht zugedeckt und die Arme liegen auch über der Decke. Sebastian hat beobachtet, wie ein Nachbar nach dem anderen, ein Verwandter nach dem anderen hineingegangen ist zu ihr. Sie angeschaut hat, noch einmal ihre Hand berührt hat.

Manche haben nur schnell einen Blick geworfen und sind dann wieder zu den anderen gegangen. Sich in die Herde drängend. Leben atmen. Den Anblick des Todes vergessen. Sebastian hat sich nur bis an die Tür getraut. Die ganze Zeit haben sich die Leute an ihm vorbeigedrängt, Abschied genommen.

Heute ist Sonntag. Alle haben Zeit zu kommen. Sebastian staunt wie viele Leute die Oma kannten. Wie ein Lauffeuer hat es sich im ganzen Dorf herumgesprochen. Wahrscheinlich hat jeder den Hubschrauber gehört, der heute Vormittag bei Omas Haus gelandet ist. Aber es war schon zu spät, die Notärzte sind wieder davongeflogen. Das hat Tante Lisa wieder und wieder jedem erzählt, Mamas Schwester. Sie hat Mama panisch angerufen als Sebastian noch im Bett lag heute früh.

"Die Mutter stirbt, komm her, sofort!", hat sie durchs Telefon gebrüllt, sofort wieder aufgelegt. Da gab es kein Überlegen, kein Irgendwas. Mama hat Sebastian nur einen Mantel übergezogen und die Stiefel an. Dann sind sie mit dem Auto rübergebraust zu Oma. Das hat höchstens fünf Minuten gedauert, aber es war schon zu spät. Die Notärzte haben sich gerade verabschiedet. Tante Lisa sprang rum wie ein aufgescheuchtes Huhn und Mama wurde ganz blaß.

Sebastian war an der Wohnzimmertür stehen geblieben. Die Nachbarn von gegenüber kamen durch die Terrassentür. Irgendwer rief den Arzt an, Mama rief die anderen Geschwister an. Die würden frühestens in einer Stunde hier sein. Immer mehr füllte sich der Raum. Im Garten standen die Leute, in der Küche begannen die Nachbarsfrauen mit Kaffeekochen. Sebastian hatte das Gefühl, dass all das nur so an ihm vorbeizog.

Irgendwann kamen Onkel Georg und seine Freundin und Tante Sabine. Auch der Arzt kam, untersuchte die Oma und redete mit den Erwachsenen. Sebastian stand einfach da. Ließ es geschehen, dass ihm ab und zu jemand übers Haar strich. Die Oma lag da in ihrem Lieblingssessel und atmete nicht mehr. Im Wohnzimmer war jetzt niemand mehr.

Sebastians Nasespitze zitterte. Wenn er Schnurrhaare hätte, würden auch die jetzt zittern. Langsam und vorsichtig schiebt sich Sebastian vor. Vielleicht, wenn er Omas Hand ganz fest in seine nimmt. Wenn er ihr das Haar aus dem Gesicht streicht. Wenn er ihr in den Bauch piekst. Vielleicht wacht sie dann wieder auf.

Aber dann steht Sebastian vor der Oma. Ihr Gesicht ist ganz grau. Ihre Hand ist unnatürlich kalt. Alles Lebendige an ihr ist verschwunden. Die Oma schläft nicht. Die Oma ist wirklich, wirklich tot. Sebastians Nasenspitze zittert. Tränen rollen ihm die Wange hinab. Er kauert sich zu Omas Füßen vor den Sessel und weint und weint.

Plötzlich kommt Mama und nimmt ihn in den Arm. Dann weinen sie beide bis ihre Trauer zu einem kleinen Rinnsal zusammengeschmolzen ist. Dezember

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Sonntag, 28. Dezember 2008
28. Dezember - Wovon träumst du?
Dunkle Baumschatten säumen den gepflasterten Weg. Ganz weit fort am Horizont scheint es hellrosa und dunkelblau auf, geht über in samtene Schwärze.

In deinem Rücken, über deinem Kopf glitzern die Sterne. Dein Atem gefriert. Kleine Wolken verlassen deinen Mund. Deine Füße lösen sich langsam vom Boden und du schwebst sanft dahin. Du lässt dich weit nach oben tragen, der Boden entfernt sich immer mehr und die Sterne kommen doch niemals näher.

Klein siehst du die Allee unter dir liegen. Siehst nun wohin sie dich geführt hätte, siehst ein Schloß, einen Park, eine dicke Mauer mit eisernen Toren und Straßen und Felder eine Ortschaft mit einer großen Kirche in der Mitte. Einen großen Wald. Du könntest all das wie ein Tischtuch aufnehmen und zusammenfalten. Was ist darunter verborgen?

Erkennst du die Bäche und Flüsse, erkennst du die Wege und Straßen, siehst du die Rehe - so winzig - durch das Unterholz brechen. Duversuchst einen Sturzflug. Es kitzelt in deiner Magengrube. Der Boden rast auf dich zu, dann fängst du dich wieder. Steigst auf, weit hinauf. Lässt dich treiben. Und die Sterne kommen nicht näher. Dezember

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Samstag, 27. Dezember 2008
27. Dezember - Max hat die Nase voll
"Oh ne, das ist doch wirklich schrecklich. Überall müffelt es hier nach...", Max hob seine Nase noch einmal und zog vorsichtig die Luft ein. Stinkesocken. Widerlich. In dieser U-Bahnstation müffelte es nach Käsefüßen! Er musste raus hier.

Vielleicht ging ja doch ein Bus. Draußen an der schäbigen Winterluft erging es ihm aber nicht viel besser. Es stank nach Autoabgasen, nach uraltem Frittenfett, verschüttetem Bier und Hundekot. Max versuchte ganz flach zu atmen, weil der Duft begann ihn zu peinigen. Wie konnte er nur so dumm sein und jetzt im Winter in die Großstadt kommen. Ah, naja, natürlich Weihnachten mit der Familie und so.

Unauffällig nahm er ein Büschel getrocknete Minze aus seiner Tasche und roch daran. Es verschaffte ihm nur kurz Erleichterung. In den Bus konnte er nicht einsteigen. Der roch nach Schweiß und Erbrochenem, alles vermischt mit dem Geruch eines billigen Reinigungsmittels und Salmiak. Der Fahrer hatte ein Salamibrot gegessen und die Frau hinter ihm liebte Knoblauchbaguette. Er wand sich wieder aus dem Bus und beschloß lieber zu Fuß zu gehen. Auf den nächsten 500 Metern war er einem wahren Bombardement aus größtenteils widerwärtigen Gerüchen ausgesetzt.

Dann gab er auf. Er kehrte um, stieg in den nächstbesten Zug in Richtung Heimat. In seinem Abteil roch es ganz wunderbar, so ein wenig nach Zimt und altem Leder. Noch besser wurde es, als er das Fenster öffnete, sobald die Stadt hinter ihm lag. Dezember

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Freitag, 26. Dezember 2008
26. Dezember - Mit anderen Augen
Hildegunde hatte so oft diesen dummen Spruch gehört, mit anderen Augen sehen. Meistens sehr tadelnd von ihrer Großmutter. "Das musst du mit anderen Augen sehen, Kind!"

Aber Hildegunde hatte das nie verstanden. Sie hatte nun einmal nur ihre eigenen Augen. Wie sollte sie durch die von einem anderen gucken? Sie sah ja noch nicht einmal klar, wenn sie nur die Brille ihrer Oma ausprobierte.

Was dachte Oma denn, was geschehen würde, wenn sie sich ihre Augen ausleihen würde? Wäre die Welt dann rosarot oder kanariengelb. Würde sie den Fritz von nebenan plötzlich ganz passabel finden und nicht schlotternd hässlich mit seinen Pickeln, dem leichten Sabber in den Mundwinkeln und dem feuchten Händedruck. Oder Jonny, fände sie den dann plötzlich gefährlich und unheimlich, nur weil er ein oder zwei Tätowierungen hatte (das waren die, die Oma gesehen hatte!) und gerne Motorrad fuhr.

Dabei war Hildegunde (diesen blöden Namen hatte sie auch ihrer Großmutter zu verdanken) so stolz auf ihre Augen - katzengrün wie Jade mit kleinen orangfarbenen Einsprengseln. Und doch - dieser dumme Spruch ließ Hildegunde einfach nicht los. Wie sollte sie bloß mit anderen Augen sehen? Und was würde sie dann sehen? Mit Omas Augen, das konnte sie sich noch vorstellen, da wäre die Welt einerseit verschwommen und doch wohlgeordnet, feststehend, glasklar.

Oma musste nämlich gar nicht mehr erkennen, um sich eine Meinung zu bilden. Auch mit dem Zuhören haperte es bei ihr seit langem. Den Fernseher stellte sie immer so laut, dass Hildegunde in ihrem Zimmer aus der Hängematte fiel vor Schreck. Tja, also die Welt mit Omas Augen zu sehen, das probierte noch nicht einmal Oma selbst aus, dachte Hildegunde. Denn sie konnte ja nur noch schlecht sehen. Und andere Augen borgte sich Oma auch niemals.

Hildegundes Blickwinkel war der Oma ohnehin nicht geheuer, nein, sogar völlig suspekt. Dabei sah Oma völlig falsch. Der Fritz von nebenan war nämlich kein anständiger Junge, wie die Oma glaubte, nein, das war ein kleiner Fummler, Spanner, den Mädchen unter den Rock-Spicker. Bei dem schauderte es Hildegunde gewaltig. Von ihm erwartete sie viel eher, dass er heimlich irgendwelche Frauen entführte und im Keller mit der Axt zerstückelte. Aber Oma behauptete steif und fest, das sei garantiert Jonnys Hobby, so wie der aussähe.

Dabei war Jonny ein ganz sensibler Tpy, mehr so ritterlich gegenüber Frauen und Mädchen. Deshalb bestand er auch darauf, Hildegunde nach der Disco heimzubringen, damit ihr nichts passierte. Tja, aber irgendwie kapierte Oma das nicht. Die zeterte eben lieber und sah nur die Vorstellungen in ihrem Kopf. Dezember

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25. Dezember - Abendstern
In den eiskalten Rauhnächten strahlt der Abendstern hell und klar. Keine Wolke trübt den Blick. So nah sieht er aus neben all den anderen Sternen. Und ist es ja auch.

Aber doch nicht so nah, dass ich nur die Hand ausstrecken müsste, um ihn zu berühren, um ihn zu pflücken aus dem samtenen Schwarz. Könnte ich das, dann leuchtete er kühl und silbern in meiner Hand. Erhellte mein Herz und trüge mich sanft auf seinen Schwingen ins Reich der Träume. Dezember

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Mittwoch, 24. Dezember 2008
24. Dezember - Ein Fall von häuslicher Gewalt
An Heiligabend Dienst ist das letzte, was sich ein Polizist wünscht. Viel lieber säßen meine Kollegen und ich daheim mit der Familie um den Weihnachtsbaum. Lieder singen, Geschenke auspacken, leckeres Essen, vielleicht vorher noch in die Christmette.


Auf jeden Fall behaglicher als den Abend auf der Wache in Bereitschaft oder sogar im Einsatz zu verbringen. Neben sechs weiteren Kollegen hat es diesmal auch Gunnar und mich erwischt. Uns beide zum ersten Mal. Ein Lichtblick ist, dass wir wenigstens Silvester frei haben werden.

Den ganzen Nachmittag blieb es bisher ruhig und wir freuen uns schon, dass wir vielleicht doch einfach mit den anderen auf der Wache feiern können. Aber Otto unkt, das sei nur die Ruhe vor dem Sturm. Arne und Carlotta grinsen sich geheimnisvoll zu. Irgendetwas läuft hier, aber mir ist nicht klar was. Ich schaue ratlos zu Gunnar, aber der zuckt nur mit den Schultern. Kurz vor sechs kommt dann doch eine Meldung rein. Häusliche Gewalt in der Lindolsgasse. Gunnar und ich rücken aus.

"Ausgerechnet an Weihnachten", sagt Gunnar als ich den Wagen Richtung Lindolsgasse lenke.

"Tja, weißt ja, an Weihnachten wollen alle auf Harmonie machen, da kommen dann die verdeckten Aggressionen erst Recht raus."

"Komisch aber, in der Lindolsgasse hatten wir noch nie nen Einsatz. Ist doch eine ruhige Gegend."

"Werden sehen", sage ich und biege in die Straße ein. Es ist wirklich ruhig hier. Lauter kleine Einfamilienhäuschen und das in Innenstadtnähe. Fast jedes Haus ist geschmückt. Rentierschlitten und Weihnachtssterne leuchten um die Wette. Das am meisten geschmückte Haus ist es. Ausgerechnet.

Gunnar und ich steigen aus und klingeln. Eine alte Frau macht auf. Eigentlich sieht das gar nicht nach häuslicher Gewalt aus. Ein älterer Herr erscheint und bittet uns herein. Es duftet nach Bratäpfeln.

"Kommen Sie nur, kommen Sie!" Die Frau führt uns ins Wohnzimmer. Dort leuchtet ein Christbaum in wunderschönen Farben. Eine große Tafel ist festlich gedeckt. Gunnar und ich schauen uns um und dann ratlos an.

"Ich glaube die beiden sind neu", sagt die Frau zu ihrem Mann.

"Mmh", brummt er. Dann wendet er sich an uns. "Nehmen Sie nur Platz, nehmen Sie Platz", scheucht er uns in Richtung Esstisch.

Unschlüssig treten wir von einem Bein auf das andere. Ich weiß selbst nicht, warum wir plötzlich so schüchtern sind.

"Das ist doch eine Schande, dass sie an Heiligabend arbeiten müssen. Nicht wahr?", sagt der Alte.

Natürlich stimmen wir zu.

"Deshalb gibt es seit einigen Jahren bei uns immer einen ganz schlimmen Fall von häuslicher Gewalt. Weihnachtskoller, verstehen Sie! Ich glaube, Sie sollten unbedingt Verstärkung rufen."

Plötzlich fällt bei mir der Groschen und ich rufe gehorsam die Kollegen zu Hilfe. Der Tisch biegt sich vor lauter Leckereien. Da brauchen wir tatsächlich Verstärkung. Ich frage mich nur, was wir morgen in unseren Bericht schreiben werden. Dezember

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Dienstag, 23. Dezember 2008
23. Dezember - Frau Jeters Wut
Eines Morgens wachte Frau Jeter auf und fühlte eine ungeheure Wut in sich. Einen Moment hielt sie inne und forschte, woher diese ungeheure Wut stammen könnte.

War es ihr geliebter Göttergatte, der sie so ungeheuer wütend machte? Frau Jeter rief sich ihren Ehemann ins Gedächtnis und das, was er so in den letzten Tagen, Wochen, Monaten getan oder auch nicht getan hatte. War da etwas dabei, das sie so ungeheuer wütend machte? Nein, das war es nicht.

Waren es ihre geliebten Kinder, die sie so ungeheuer wütend machten? Frau Jeter rief sich ihre Kinder ins Gedächtnis und das, was sie so in den letzten Tagen, Wochen, Monaten getan oder auch nicht getan hatten. War da etwas dabei, das sie so ungeheuer wütend machte? Nein, das war es auch nicht.

War es am Ende sie selbst, die sie so ungeheuer wütend machte? Frau Jeter rief sich selbst ins Gedächtnis und das, was sie so in den letzten Tagen, Wochen, Monaten getan oder auch nicht getan hatte. War da etwas dabei, das sie so ungeheuer wütend machte? Nein, das war es auch nicht.

Also stand Frau Jeter auf und packte in all ihrer großen Wut das Haus und warf es auf die andere Seite des Tals. Dann riß sie systematisch und sorgfältig die Bäume aus, erst die Bäume bei sich im Garten, dann die im Nahe gelegenen Wäldchen und schließlich folgte sie der Allee und zog und zerrte an den alten Platanen bis sie auch diese alle ausgerissen hatte.
Frau Jeter war ein wenig außer Atem gekommen vor lauter Anstrengung. Sie hielt inne und horchte in sich hinein, ob diese ungeheure Wut vielleicht abgeklungen war. Aber sie wütete immer noch in ihrer Brust und so stapfte sie weiter und weiter und hinterließ eine Spur der Zerstörung auf ihrem Weg.

Schließlich kam sie am Abend an einen Baum, der war so riesig groß, dass sie ihn nicht ausreißen konnte. So sehr sie es auch versuchte. Sie legte den Kopf in den Nacken und sah, dass der Baum bis in den Himmel reichte. Da ihre Wut aber immer noch kein bisschen kleiner war, gleichgültig wie sehr sie gegen den Baum wütete, beschloss Frau Jeter in den Himmel zu klettern und dort an den Göttern ihre Wut auszulassen. Wer, wenn nicht die Götter, hatten ihr diese ungeheure Wut gesandt?

Als die Götter hörten, dass Frau Jeter sich auf den langen Weg zu ihnen in den Himmel hinauf machte, versteckten sie sich alle bis auf eine Göttin. Die Göttin Kali, die Göttin der Zerstörung. Kali lachte als sie Frau Jeter erblickte, die endlich oben angekommen war. Und dabei hatte die Göttin einen grausamen Zug um den Mund und ihre Augen blitzten gefährlich. Aber Frau Jeter interessierte das gar nicht. Voller ungeheurer Wut stürzte sie sich auf Kali.

Nun tobte ein langer und heftiger Kampf. Die beiden Frauen warfen sich gegenseitig durch den ganzen Himmel, donnerten die Köpfe gegeneinander und rissen sich die Haare aus. Aber keine von beiden wollte weichen und keine von beiden ließ nach in ihrer ungeheuren Raserei und Wut. Schließlich gelang es Frau Jeter die Göttin Kali in den Schwitzkasten zu nehmen. Kali lief knallrot an und japste nur noch. Nur noch ein kleines bisschen mehr Kraftaufwand und der starke Hals der Göttin wäre gebrochen.

Da fühlte Frau Jeter plötzlich wie die ungeheure Wut in ihr ein klein wenig nachließ. Frau Jeter stieß einen Seufzer der Erleichterung aus und gewährte Kali ein klein wenig mehr Spielraum, so dass die Göttin wieder zu Atem kam. Frau Jeters ungeheure Wut ließ noch ein wenig mehr nach. Und sie fand, dass sie eine Stimme hatte und sagte zu der Göttin: „Wenn du friedlich bleibst, lass ich dich los.“ Kali stimmte durch ein mattes Kopfnicken zu. Frau Jeter gab Kali frei. Eine ganze Weile lag die Göttin immer noch ziternd und keuchend am Boden. Schließlich richtete sie sich auf.

"Noch niemals hat mich eine Sterbliche bezwungen“, stieß sie hervor. Frau Jeter zuckte nur mit den Achseln. „Aus diesem Grunde gewähre ich dir einen Wunsch!“, fuhr die Göttin fort, „meine Bedingung ist, dass du hier verschwindest und niemandem erzählst, dass du mich besiegt hast.“ Frau Jeter überlegte einen Augenblick. Dann nickte sie. Ihr Wunsch formte sich in ihrem Herzen und die Göttin begann froh zu lachen, als sie mit einer kleinen Handbewegung Frau Jeters Wunsch zur Erfüllung brachte.

Ohne Zögern brach Frau Jeter auf. Nur ein leises Kopfnicken reichte zum Abschied. Immer noch voller Energie kletterte sie den hohen Baum hinab bis auf die Erde. Dort kehrte sie den langen Weg zurück, den sie gekommen war. Aber überall, wo sie einen Baum ausgerissen hatte, pflanzte sie einen neuen. Und überall, wo sie eine Spur der Zerstörung hinterlassen hatte, hinterließ sie nun einen Pfad des Wachsens und Gedeihens.

Fast am Ende ihres Weges klaubte Frau Jeter ihr Haus von der falschen Talseite und warf es mit einer geschickten Bewegung so wieder auf seinen Platz, dass es plötzlich viel größer und schöner dort stand. Auch ihren Garten ließ sie neu erblühen und er war noch niemals so schön und lebendig gewesen.

Die ungeheure Wut verließ Frau Jeter seither niemals ganz. Sie hatte dank der Göttin Kali nur die Gabe erhalten, diese große und mächtige Energie zum Schaffen zu nutzen und nicht zum Zerstören. Dezember

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Montag, 22. Dezember 2008
22. Dezember - Die Tage werden wieder länger
Dem Himmel sei dank, die Tage werden wieder länger. Noch ein paar Wochen fiese Dunkelheit morgens und dann schon wieder nachmittags, aber die Sonne wird immer weiter und steiler über den Horizont steigen und bald, bald ist der Winter auch Geschichte und der Frühling beginnt.

Kommt euch wohl so vor als könnte ich das kaum erwarten. Das stimmt leider auch. Diese graue, kalte, dunkle Jahreszeit überwinde ich nur mühsam. Je älter ich werde, umso schlimmer wird es. Vor allem, wenn so ein Schmuddelwetter herrscht. Fieselregen, rutschige Straßen, matschige Feldwege. Einfach gräßlich. Klar, so ein schöner eiskalter, klirrender Winter mit massenhaft Schnee und Sonnenschein bei strahlend blauem Himmel ist nicht zu verachten.

Aber so ein Bilderbuchwetter gibt es eher selten. Der Frühling leuchtet aber auch bei Regenwetter. Wenn die Tropfen vom lindgrünen, frischen Grashalm perlen, die ganze Atmosphäre wie frischgewaschen leuchtet. Der erste warme Wind, der deine Haut streichelt, während sich die Sonne noch ein wenig rar macht aber langsam ihre wärmenden Strahlen zu dir ausstreckt. Ach Frühling, komme bald! Dezember

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