Sonntag, 28. Dezember 2008
28. Dezember - Wovon träumst du?
Dunkle Baumschatten säumen den gepflasterten Weg. Ganz weit fort am Horizont scheint es hellrosa und dunkelblau auf, geht über in samtene Schwärze.

In deinem Rücken, über deinem Kopf glitzern die Sterne. Dein Atem gefriert. Kleine Wolken verlassen deinen Mund. Deine Füße lösen sich langsam vom Boden und du schwebst sanft dahin. Du lässt dich weit nach oben tragen, der Boden entfernt sich immer mehr und die Sterne kommen doch niemals näher.

Klein siehst du die Allee unter dir liegen. Siehst nun wohin sie dich geführt hätte, siehst ein Schloß, einen Park, eine dicke Mauer mit eisernen Toren und Straßen und Felder eine Ortschaft mit einer großen Kirche in der Mitte. Einen großen Wald. Du könntest all das wie ein Tischtuch aufnehmen und zusammenfalten. Was ist darunter verborgen?

Erkennst du die Bäche und Flüsse, erkennst du die Wege und Straßen, siehst du die Rehe - so winzig - durch das Unterholz brechen. Duversuchst einen Sturzflug. Es kitzelt in deiner Magengrube. Der Boden rast auf dich zu, dann fängst du dich wieder. Steigst auf, weit hinauf. Lässt dich treiben. Und die Sterne kommen nicht näher. Dezember

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Samstag, 27. Dezember 2008
27. Dezember - Max hat die Nase voll
"Oh ne, das ist doch wirklich schrecklich. Überall müffelt es hier nach...", Max hob seine Nase noch einmal und zog vorsichtig die Luft ein. Stinkesocken. Widerlich. In dieser U-Bahnstation müffelte es nach Käsefüßen! Er musste raus hier.

Vielleicht ging ja doch ein Bus. Draußen an der schäbigen Winterluft erging es ihm aber nicht viel besser. Es stank nach Autoabgasen, nach uraltem Frittenfett, verschüttetem Bier und Hundekot. Max versuchte ganz flach zu atmen, weil der Duft begann ihn zu peinigen. Wie konnte er nur so dumm sein und jetzt im Winter in die Großstadt kommen. Ah, naja, natürlich Weihnachten mit der Familie und so.

Unauffällig nahm er ein Büschel getrocknete Minze aus seiner Tasche und roch daran. Es verschaffte ihm nur kurz Erleichterung. In den Bus konnte er nicht einsteigen. Der roch nach Schweiß und Erbrochenem, alles vermischt mit dem Geruch eines billigen Reinigungsmittels und Salmiak. Der Fahrer hatte ein Salamibrot gegessen und die Frau hinter ihm liebte Knoblauchbaguette. Er wand sich wieder aus dem Bus und beschloß lieber zu Fuß zu gehen. Auf den nächsten 500 Metern war er einem wahren Bombardement aus größtenteils widerwärtigen Gerüchen ausgesetzt.

Dann gab er auf. Er kehrte um, stieg in den nächstbesten Zug in Richtung Heimat. In seinem Abteil roch es ganz wunderbar, so ein wenig nach Zimt und altem Leder. Noch besser wurde es, als er das Fenster öffnete, sobald die Stadt hinter ihm lag. Dezember

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Freitag, 26. Dezember 2008
26. Dezember - Mit anderen Augen
Hildegunde hatte so oft diesen dummen Spruch gehört, mit anderen Augen sehen. Meistens sehr tadelnd von ihrer Großmutter. "Das musst du mit anderen Augen sehen, Kind!"

Aber Hildegunde hatte das nie verstanden. Sie hatte nun einmal nur ihre eigenen Augen. Wie sollte sie durch die von einem anderen gucken? Sie sah ja noch nicht einmal klar, wenn sie nur die Brille ihrer Oma ausprobierte.

Was dachte Oma denn, was geschehen würde, wenn sie sich ihre Augen ausleihen würde? Wäre die Welt dann rosarot oder kanariengelb. Würde sie den Fritz von nebenan plötzlich ganz passabel finden und nicht schlotternd hässlich mit seinen Pickeln, dem leichten Sabber in den Mundwinkeln und dem feuchten Händedruck. Oder Jonny, fände sie den dann plötzlich gefährlich und unheimlich, nur weil er ein oder zwei Tätowierungen hatte (das waren die, die Oma gesehen hatte!) und gerne Motorrad fuhr.

Dabei war Hildegunde (diesen blöden Namen hatte sie auch ihrer Großmutter zu verdanken) so stolz auf ihre Augen - katzengrün wie Jade mit kleinen orangfarbenen Einsprengseln. Und doch - dieser dumme Spruch ließ Hildegunde einfach nicht los. Wie sollte sie bloß mit anderen Augen sehen? Und was würde sie dann sehen? Mit Omas Augen, das konnte sie sich noch vorstellen, da wäre die Welt einerseit verschwommen und doch wohlgeordnet, feststehend, glasklar.

Oma musste nämlich gar nicht mehr erkennen, um sich eine Meinung zu bilden. Auch mit dem Zuhören haperte es bei ihr seit langem. Den Fernseher stellte sie immer so laut, dass Hildegunde in ihrem Zimmer aus der Hängematte fiel vor Schreck. Tja, also die Welt mit Omas Augen zu sehen, das probierte noch nicht einmal Oma selbst aus, dachte Hildegunde. Denn sie konnte ja nur noch schlecht sehen. Und andere Augen borgte sich Oma auch niemals.

Hildegundes Blickwinkel war der Oma ohnehin nicht geheuer, nein, sogar völlig suspekt. Dabei sah Oma völlig falsch. Der Fritz von nebenan war nämlich kein anständiger Junge, wie die Oma glaubte, nein, das war ein kleiner Fummler, Spanner, den Mädchen unter den Rock-Spicker. Bei dem schauderte es Hildegunde gewaltig. Von ihm erwartete sie viel eher, dass er heimlich irgendwelche Frauen entführte und im Keller mit der Axt zerstückelte. Aber Oma behauptete steif und fest, das sei garantiert Jonnys Hobby, so wie der aussähe.

Dabei war Jonny ein ganz sensibler Tpy, mehr so ritterlich gegenüber Frauen und Mädchen. Deshalb bestand er auch darauf, Hildegunde nach der Disco heimzubringen, damit ihr nichts passierte. Tja, aber irgendwie kapierte Oma das nicht. Die zeterte eben lieber und sah nur die Vorstellungen in ihrem Kopf. Dezember

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25. Dezember - Abendstern
In den eiskalten Rauhnächten strahlt der Abendstern hell und klar. Keine Wolke trübt den Blick. So nah sieht er aus neben all den anderen Sternen. Und ist es ja auch.

Aber doch nicht so nah, dass ich nur die Hand ausstrecken müsste, um ihn zu berühren, um ihn zu pflücken aus dem samtenen Schwarz. Könnte ich das, dann leuchtete er kühl und silbern in meiner Hand. Erhellte mein Herz und trüge mich sanft auf seinen Schwingen ins Reich der Träume. Dezember

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