Mittwoch, 18. Juni 2008
18. Juni - Malbuch
365und1tag, 03:57h
„Kann ich helfen?“ Julia beugt sich über das kleine Mädchen, das am Boden sitzt und in einem Malbuch herumkritzelt. Ein unbezahltes Malbuch, mitten im Laden, auf dem Fußboden, die Stifte stammen auch von hier und sind genausowenig bezahlt.
„Wo ist denn Deine Mutti?“ Julia versucht freundlich zu bleiben. Das Kind kann doch nichts dafür. Aber wo sind die Eltern? Julia schaut suchend über die Verkaufstische und Displays. Niemand zu sehen. Die Buchhandlung ist plötzlich wie leergefegt. „Wie heißt Du denn?“ Das Kind sagt kein Wort, schaut Julia nur mit großen Augen an, bevor es sich wieder über das Malbuch beugt und ungeschickt den Himmel knallrot anmalt. Das gibt es doch nicht. Wer lässt denn einfach sein Kind hier zurück? Die Kleine ist höchstens Drei. „Den Himmel musst Du aber blau machen!“ Wieder schaut das Mädchen mit großen Augen zu Julia hoch, blickt sie kurz mit einem strahlenden Lächeln an und kritzelt weiter einen blutroten Himmel über einem noch unausgemalten Kinderkarusell. In einer halben Stunde schließt Julia den Laden. Bis dahin muss das Kind verschwunden sein. Unruhig geht sie im Laden auf und ab, schaut in jede Ecke, sogar unter die Verkaufstische. Vielleicht ist die Mutter ohnmächtig geworden und liegt jetzt unter den aufgestapelten Aktionswaren. Aber nein, niemand da. Es ist wie verhext. Kein einziger Kunde betritt mehr die Buchhandlung.
Julia steht an der Tür und schaut die Straße entlang. Irgendwo muss doch die Mutter sein. Julia sieht aber nur die alte Schawitzki von gegenüber mit ihrem Hund Poldi Gassi gehen. Ein paar Jugendliche drücken sich an der Ecke vor der Spielhalle herum. Niemand weit und breit, der zu dem Kind gehören könnte. Eigentlich müsste Julia jetzt nach Hause, aber was macht sie dann mit dem Kind? Vermutlich sollte sie die Polizei rufen. Sie schließt von innen die Tür ab, geht zum Telefon. Die Kleine malt immer noch. Die Sonne in ihrem tiefroten Himmel ist schwarz. Das ist doch sicher kein gutes Zeichen, wenn das Kind den Himmel blutrot malt und die Sonne schwarz. Natürlich, Julia ist keine Psychologin, aber das hat sie ja schon oft genug im Fernsehen gesehen. Wahrscheinlich wird die Kleine misshandelt. Julia wählt Eins Eins Null. Freizeichen. In dem Moment schaut die Kleine wieder zu ihr hoch und sagt: „Mama!“ Julia zuckt zusammen. Das arme Kind. Sie kann sie doch nicht einfach der Polizei ausliefern. Sie legt auf. „Gut, dann nehme ich Dich eben mit!“, sagt sie zu dem Mädchen. Juni
„Wo ist denn Deine Mutti?“ Julia versucht freundlich zu bleiben. Das Kind kann doch nichts dafür. Aber wo sind die Eltern? Julia schaut suchend über die Verkaufstische und Displays. Niemand zu sehen. Die Buchhandlung ist plötzlich wie leergefegt. „Wie heißt Du denn?“ Das Kind sagt kein Wort, schaut Julia nur mit großen Augen an, bevor es sich wieder über das Malbuch beugt und ungeschickt den Himmel knallrot anmalt. Das gibt es doch nicht. Wer lässt denn einfach sein Kind hier zurück? Die Kleine ist höchstens Drei. „Den Himmel musst Du aber blau machen!“ Wieder schaut das Mädchen mit großen Augen zu Julia hoch, blickt sie kurz mit einem strahlenden Lächeln an und kritzelt weiter einen blutroten Himmel über einem noch unausgemalten Kinderkarusell. In einer halben Stunde schließt Julia den Laden. Bis dahin muss das Kind verschwunden sein. Unruhig geht sie im Laden auf und ab, schaut in jede Ecke, sogar unter die Verkaufstische. Vielleicht ist die Mutter ohnmächtig geworden und liegt jetzt unter den aufgestapelten Aktionswaren. Aber nein, niemand da. Es ist wie verhext. Kein einziger Kunde betritt mehr die Buchhandlung.
Julia steht an der Tür und schaut die Straße entlang. Irgendwo muss doch die Mutter sein. Julia sieht aber nur die alte Schawitzki von gegenüber mit ihrem Hund Poldi Gassi gehen. Ein paar Jugendliche drücken sich an der Ecke vor der Spielhalle herum. Niemand weit und breit, der zu dem Kind gehören könnte. Eigentlich müsste Julia jetzt nach Hause, aber was macht sie dann mit dem Kind? Vermutlich sollte sie die Polizei rufen. Sie schließt von innen die Tür ab, geht zum Telefon. Die Kleine malt immer noch. Die Sonne in ihrem tiefroten Himmel ist schwarz. Das ist doch sicher kein gutes Zeichen, wenn das Kind den Himmel blutrot malt und die Sonne schwarz. Natürlich, Julia ist keine Psychologin, aber das hat sie ja schon oft genug im Fernsehen gesehen. Wahrscheinlich wird die Kleine misshandelt. Julia wählt Eins Eins Null. Freizeichen. In dem Moment schaut die Kleine wieder zu ihr hoch und sagt: „Mama!“ Julia zuckt zusammen. Das arme Kind. Sie kann sie doch nicht einfach der Polizei ausliefern. Sie legt auf. „Gut, dann nehme ich Dich eben mit!“, sagt sie zu dem Mädchen. Juni
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