Donnerstag, 11. Dezember 2008
10. Dezember - Lebensgefühl
Steigern Sie Ihr Lebensgefühl! Was soll das eigentlich heißen? Wechseln sich die Gefühle des Lebens nicht einfach ab?

Mal fühlt es sich gut an am Leben zu sein, manchmal schlecht, meistens so lala. Also eher lauwarm. Ich meine, wer fühlt sich denn andauernd wie im siebten Himmel? Und ist das überhaupt erstrebenswert? Warum soll ich mein Lebensgefühl überhaupt steigern? Gab es da nicht mal so Ideen von der goldenen Mitte, dem Mittelweg, dem Ausgleich der Temperamente. Und würde dann nicht auch das Lebensgefühl lieber ausgeglichen als gesteigert werden. Ich könnte das Lebensgefühl ja mal fragen. Nur ist das doch sicher wieder bei jedem anders.

Der eine sagt, ich wäre ja schon froh, wenn der Schmerz nachlässt. Der andere sagt, ich kann diese ständige gute Laune kaum noch aushalten. Der dritte wiederum freut sich und lacht und trinkt noch einen. Alle drei befinden sich vielleicht gerade auf einer Karnevalsveranstaltung oder auf einer Mitarbeiterversammlung oder auf einer Trauerfeier.

Jedesmal würden doch die Aussagen ein völlig neues Licht auf das Lebensgefühl des Einzelnen werfen. Jedenfalls mag ich mein Lebensgefühl nicht steigern, schon gar nicht indem ich irgendeinen teuren Mist konsumiere. Viel lieber möchte ich mein Lebensgefühl verbreitern, tiefer legen, so richtig aufpimpen. Vielleicht rosa anstreichen mit gelben Flammen und natürlich eine Surround-Anlage einbauen. Dann spüre ich das Leben von allen Seiten in all seiner Tiefe, Breite, Höhe und sonstigen Dimensionen. Und das ist doch allemal besser als nur zu höchsten Höhen aufzusteigen Dezember

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Mittwoch, 10. Dezember 2008
9. Dezember - Was jetzt dran ist
Die Schlachtordnung wurde aufgestellt. Rodrigo fühlt diesen Kitzel in der Magengrube. Vorfreude. Gleich geht es los.

Sie werden vorbreschen auf ihren Pferden. Rechts und links austeilen, das Fußvolk niedermähen bis sie auf gleichwertige Gegner treffen. Ein ehrlicher Kampf zwischen Ehrenmännern. Das Stampfen der Rösser, die Hitze der Leiber, das Klirren der Waffen und der Geruch von Blut. Das alles überlagerte bereits Rodrigos Blick auf die wartenden Soldaten.

Angst kannte er nicht. Rodrigo war jung und stark. Ein guter Reiter, ein guter Kämpfer. Kein Grund sich Sorgen zu machen. Obwohl er oft genug im Kampf getötet hatte, war er doch immer wieder davon gekommen. Manchmal durch Zufall, reines Glück, oft genug durch Können. Als es dann endlich losging, jubelte er. Der warme Wind fuhr ihm in die Kleidung . Sein Degen troff von Blut. Ohne zu zögern sprang er ins wildeste Schlachtegetümmel um einem Freund zu helfen. Ehrensache. Keine große Sache. Denn er war doch unverwundbar. Mit fester Hand teilte er aus. Trieb die Feinde in die Enge.

Da plötzlich. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er einen Schatten, der kurz die Sonne verdunkelte, bevor er spürte wie ein Rapier aus seiner Seite herausglitt. Gezogen wurde. Rodrigo wandte den Kopf. Dort stand der, den er nicht hatte kommen sehen. Wilder Blick, eben vom Pferd gesprungen, die Waffen erhoben, um erneut anzugreifen. Aber Rodrigo fiel. Blut schoß in einer hohen Fontäne aus ihm hervor. "Ich bin unverwundbar", war sein letzter Gedanke. Der Himmel schien unterträglich blau und die Krähen sammelten sich auf den Bäumen. Dezember

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Montag, 8. Dezember 2008
8. Dezember - Eremitage
Ganz allein auf einem Berg. Klirrende Kälte und eisige Klarheit. Die ganze Welt liegt vor mir ausgebreitet.
Ich schließe sie in meine Arme. Ich spucke auf sie. Ich lache mit ihr. Ich schicke Wind und Regen über das Land. Lasse Schnee rieseln oder die Sonne scheinen.

Die Sterne dirigiere ich dort oben. Lasse den Mond aufgehen in seiner geheimnisvollen Halbheit. Die Hütte in meinem Rücken ist meine Höhle. Dort grabe ich mich tief in Decken. Wärme meine Glieder am Feuer und schlürfe heißen Tee mit Schuß. Nur rauhe Wände, das prasselnde Feuer, die Welt und ich. Dezember

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7. Dezember - Lange Nächte
Diese Zeit im Jahr, wenn die Nächte immer länger und kälter werden. Wenn die Tage im besten Falle kurz und sonnig sind. Die Abendsonne am Horizont feuerrot verglüht.

Die langen Schatten in einem tiefdunklen Violett auslaufen und die Bergspitzen blau leuchten. Im schlimmsten Falle bleibt es den ganzen Tag grau in grau. Verhangen mit einer watteweichen, bleiernen Wolkendecke erscheint der Himmel unerreichbar. Die Bäume recken ihm davon unbeeindruckt ihre nackten Äste entgegen.

Manchmal fisselt ein dünner Sprühregen aus den grauen Wolken oder sogar waschechter, weißer Schnee. Kristall für Kristall rieselt dann leise auf den Boden. Verschluckt alle Geräusche - für einen Augenblick. Bis dann der Schneematsch am Straßenrand sich türmt. Staumeldungen und Glatteiswarnungen aus dem Radio plärren.

Die längste Zeit des Tages herrscht Dunkelheit. Mühsam beleuchtet von der Straßenlaterne vor meinem Fenster. Nur am Horizont glitzern die Lichter der nächsten Ortschaft. Nicht lange nach Mitternacht erlischt auch das letzte von ihnen wie auch die Laterne vor meinem Fenster. Wenn ich dann das Licht lösche, bin ich ganz von samtener Schwärze umfangen. Weich streicht sie über meine Wangen und wiegt mich in meine Träume. Dezember

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6. Dezember - Nikolaus
Nikolaus hasste seinen Vornamen. Ganz besonders am sechsten Dezember, weil ihn dann jeder fragte: "Hast du mir was mitgebracht?" oder "Soll ich meine Stiefel ausziehen?"

Das wäre ja ganz lustig, wenn nicht jeder, wirklich jeder jedes Jahr aufs Neue die selben alten Scherze machen würde. Deshalb hatte sich Nikolaus in diesem Jahr von Ende November bis Mitte Dezember Urlaub genommen. Eigentlich wollte er den Zuhause verbringen, aber als sein Nachbar bereits am ersten Advent lustige Nikolaus-Sprüche über den Zaun warf, beschloss er seinen Koffer zu packen und abzuhauen. Last Minute. Irgendwohin, wo die Leute kein Weihnachten feierten. Die Dame am Schalter der Fluglinie schien ein wenig überfordert, als er einen Flug in eine Weihnachtsfreie Zone verlangte. Schließlich schlug sie Bali vor.

Der Flug dorthin war lang. Nikolaus konnte im Flugzeug schlecht schlafen. Die Beine taten ihm weh. So richtig herumlaufen durfte er nicht. Aber nach mehr als 14 Stunden und mehreren Zwischenstationen kam er endlich an. Er atmete auf. Hier in Bali, wo der Großteil der Bevölkerung hinduistischen Glaubens war, da musste er doch seine Ruhe haben.

Bei der Kofferausgabe erlebte er dann doch einen Schock. Eine deutsche Touristengruppe wurde von ihrem Reiseleiter mit Nikolausmütze abgeholt. Auch der Duty-Free-Shop wies weihnachtliche Dekoration auf. Als er aber dann aus dem Flughafen trat, gleißte die Sonne und weit und breit waren weder Tannenbäume noch Weihnachtsmänner zu sehen. Dezember

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