Mittwoch, 8. Oktober 2008
8. Oktober - Danach
Danach wird alles anders. Selbstverständlich besser. Natürlich besser! Jetzt reißen wir uns alle mal zusammen und kraxeln die letzten paar hundert Meter auf den Gipfel.

Und danach wird alles besser. Runter geht's ja fast von alleine. Ist doch kein Problem. Das sich verschlechternde Wetter? Ach, nur nicht bange machen lassen von so ein bisschen Nebel, Schnee und Fallwinden. Jetzt sind wir einmal hier, da werden wir doch nicht klein beigeben. Ist doch auch nur ein Berg. Ein Felsbrocken in der Landschaft. Nichts besonderes, danach gibt es auch eine Belohnung. Versprochen.

Okay, ja, ich weiß, das letzte Mal habe ich das auch gesagt und dann gab es nichts. Nun ja, da konnte ich nicht ahnen, dass hinter dem Gipfel noch ein Berg auf uns lauerte. Ein noch höherer Berg, ja das stimmt. Aber wer Herausforderungen liebt, der wird doch jetzt nicht aufgeben. Am Ende stehen wir wie die Idioten da, die nach 99 von 100 zu überspringenden Mauern lieber umdrehen, weil sie alles viel zu anstrengend finden.

Mit anderen Worten: Der Weg zurück ist ja noch dusseliger, haarsträubender, länger und außerdem keine Option. Kapiert. Weicheier. Jetzt mal weiter. Danach, das sage ich doch, hört mir doch zu, danach, danach wird alles besser. Oktober

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7. Oktober - Das Auge des Sturms
ICH ist im Auge des Sturms.
ICH bin im Auge des Sturms.
ICH bin das Auge des Sturms.

Ohne den Sturm des Lebens, der Gefühle, des Dramas, der Herausforderungen wäre ICH nicht.
Ohne die in den Sturm stürzenden und vom Sturm mitgerissenen Elemente, ohne die herausgeschleuderten Partikel, ohne den Austausch wäre ICH nicht.
Ohne das Heulen und Lärmen, ohne die Kraft und Energie wäre ICH nicht.

Wenn die Hand sinkt, das Neuronenfeuer erstirbt, das Auge bricht legt sich der Sturm und ICH ist nicht mehr. Nicht messbar, nicht nachweisbar. ICH ist das Auge des Sturms. Die Ruhe in der Zerstörung, die Stille im unermesslichen Klang des Seins. Oktober

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Montag, 6. Oktober 2008
6. Oktober - Langer Nachmittag
Nebel hängt über der Landschaft, kriecht am Horizont entlang, wallt kalt und feucht immer näher.

Dieses graukalte, feuchte Wetter versetzt mich zurück in meine Kindheit. Lange öde Nachmittage voller Langeweile breiten sich in mir aus. Verzweifelte sich in endlose Länge dehnende Sekunden, Minuten, Stunden. Warten. Warten auf was? Die Zeit verrinnt völlig sinnlos, wälzt sich auf ein Ereignis zu, das genauso unspektakulär ist wie dieser feuchtkalte Nachmittag allein im Zimmer. Der nicht schneller vergeht, weil ich aus dem Fenster starre.

"Mal doch was!"

"Beschäftige dich doch irgendwie".

"Hast du keine Hausaufgaben?"

Manchmal sind alle Hausaufgaben gemacht, alle Bücher aus der Bibliothek ausgelesen, alle Bilder gemalt. Und dann diese Leere, diese lange Weile. Lang, lang, länger.

Fast hatte ich dieses quälende Gefühl vergessen. Heute erwachsen, busy, stets geschäftig, immer in Bewegung, allzeit bereit unterhalten zu werden oder zu unterhalten, keine Zeit, sowieso immer auf dem Sprung, voll im Stress, unabkömmlich und so wichtig, kommt heute kaum noch Langeweile auf.

Schade. Diese süße Qual! Vorbote einer Entladung, einer Explosion, einer Eingebung. Die Ruhe vor dem Sturm. Eine lange Weile, die sich ausbreiten und dehnen und mich leiden lassen darf. Oktober

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Montag, 6. Oktober 2008
5. Oktober - Das Bier ist aus
„Oh, endlich Feierabend.“ Sabine drückt mit beiden Händen ihr Kreuz durch. Alle Knochen tun ihr weh. Nach der Schufterei im Garten hat sie sich ein schönes Bierchen verdient.

Aber im Kühlschrank steht keins mehr. Der Kasten in der Speisekammer enthält nur leere Flaschen.

„Herbert!“, brüllt Sabine durchs Treppenhaus. Und noch lauter „Herbert!“

Keine Reaktion. Also schleppt sie sich die Stufen hoch unters Dach, in Herberts Reich. Dort stehen sein Schreibtisch mit Computer, seine H0-Eisenbahnanlage und sein großer Plasma-Fernseher mit Surround-Anlage und Spielkonsole. Er spielt gerade so ein beklopptes Spiel, bei dem er ständig Autos klauen und Leute liquidieren muss. Sabine seufzt. Herbert hört sie nicht, obwohl sie nur einen knappen Meter hinter ihm steht.

„Herbert!“, brüllt sie schließlich in voller Lautstärke. Herbert dreht seinen Kopf nur ein paar Grad in ihre Richtung. Wirft ihr einen kurzen Blick aus dem Augenwinkel zu.

„Was?“, fragt er. Sein Blick springt zurück auf den Fernseher und seine Hände bedienen weiter den Controller.

„Das Bier ist alle.“

Keine Reaktion.

„Wir hatten doch ausgemacht: Wer das letzte nimmt, schreibt dann Bier auf die Einkaufsliste.“

"Hab’ ich doch.“

„Hast du nicht, sonst hätte ich ja welches mitgebracht.“

„Vielleicht hast du’s vergessen.“ Die Polizei verfolgt Herberts Spielcharakter mit lautem Sirenengeheul. Sein Auto hat schon mehrere Beulen und bringt nicht mehr volle Geschwindigkeit.

„Verdammt! Das kommt davon, wenn du mich ablenkst.“

„Meine Güte, es gibt ja wohl ne Pausetaste. Kannst mir auch mal zuhören, wenn ich mit dir rede.“

„Es ist kein Bier mehr da. Und?“

„Du hättest es auf die Liste schreiben müssen!“

„Hab ich!“

„Hast du nicht!“ Herbert ist es gelungen die Bullen abzuhängen, jetzt klaut er sich einen schnelleren Wagen.

„Musst du dauernd dieses bekloppte Spiel spielen?“

„Das ist geil!“

„Leute umnieten und Autos klauen. Toll. Da träumst du von, wenn du im Finanzamt Strafgebühren verhängst.“

„Ha, hab ich dich!“ Herbert stoppt ein vorausfahrendes Fahrzeug, indem er ihm mit seinem flotten Schlitten den Weg abschneidet. Den Fahrer knallt er kaltlächelnd ab. Sabine nimmt die Fernbedienung und schaltet den Fernseher aus.

„Menno!“

„Du fährst jetzt mit deinem Passat zur Tankstelle und kaufst mir Bier. Komm aber nicht auf die Idee den Tankwart abzuknallen.“

Herbert öffnet den Mund, schließt ihn dann aber wieder als ihm Sabines Gartenkluft auffällt. Er senkt den Blick und geht an ihr vorbei zur Treppe.

„Brauchst du sonst noch was, Schatz?“

Sabine schüttelt den Kopf. Oktober

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