... newer stories
Samstag, 19. Juli 2008
19. Juli - Erkenntnis
365und1tag, 22:34h
„Erkenne Deinen Feind“, sagte mein Vater immer und nickte dabei bedeutungsvoll. Und ich lauschte andächtig und nickte ebenfalls. Das erschien mir einleuchtend.
„Erkenne Deinen Feind!“ Und dann weißt du genau woher alles Gemeine und Böse auf dich zukommen wird. Du kannst dich wappnen, du kannst ihm Eins auswischen, bevor er darauf kommt dir Eins auszuwischen, dein Feind. Oder du gehst ihm einfach großräumig aus dem Weg, das ist am sichersten.
Dann kam ich aufs Gymnasium und laß über der Tür zur Aula: „Erkenne dich selbst“, natürlich stand dort in Altgriechisch Γνῶθι σαυτόν und ich musste abwarten bis es einer unserer Lehrer erklärte, was es bedeutet. Aber dann war ich erschüttert.
Wenn es so wichtig war mich selbst zu erkennen, wäre es da nicht logisch, dass ich selbst mein ärgster Feind sei. Und wenn das so wäre, welche Chance hätte ich dann, so dachte ich, mir selbst aus dem Wege zu gehen, mir Eins auszuwischen bevor ich es selber tat oder zu verhindern, dass alles Gemeine und Böse direkt von mir auf mich zukommen würde. Als ich nach Hause kam, fragte ich sofort meinen Vater danach, aber der lachte mich nur aus. Da würde ich schon noch drauf kommen, wenn ich älter wäre. Juli
„Erkenne Deinen Feind!“ Und dann weißt du genau woher alles Gemeine und Böse auf dich zukommen wird. Du kannst dich wappnen, du kannst ihm Eins auswischen, bevor er darauf kommt dir Eins auszuwischen, dein Feind. Oder du gehst ihm einfach großräumig aus dem Weg, das ist am sichersten.
Dann kam ich aufs Gymnasium und laß über der Tür zur Aula: „Erkenne dich selbst“, natürlich stand dort in Altgriechisch Γνῶθι σαυτόν und ich musste abwarten bis es einer unserer Lehrer erklärte, was es bedeutet. Aber dann war ich erschüttert.
Wenn es so wichtig war mich selbst zu erkennen, wäre es da nicht logisch, dass ich selbst mein ärgster Feind sei. Und wenn das so wäre, welche Chance hätte ich dann, so dachte ich, mir selbst aus dem Wege zu gehen, mir Eins auszuwischen bevor ich es selber tat oder zu verhindern, dass alles Gemeine und Böse direkt von mir auf mich zukommen würde. Als ich nach Hause kam, fragte ich sofort meinen Vater danach, aber der lachte mich nur aus. Da würde ich schon noch drauf kommen, wenn ich älter wäre. Juli
... link (0 Kommentare) ... comment
18. Juli - Krähen
365und1tag, 18:30h
Eine schwarze Krähe saß auf dem Zaun und wippte mit dem Schwanz. Ich wusste genau, wenn ich noch ein paar Schritte auf sie zugehe, dann breitet sie die großen schwarzen Flügel aus und erhebt sich in die Lüfte.
Dann zieht sie einen Halbkreis über mir und landet irgendwo auf dem Rasen in der Nähe der Landebahn. Warum die Krähen mich fürchten, weiß ich nicht so genau. Vielleicht sehe ich der Vogelscheuche ähnlich, die ohnehin keiner mehr aufstellt. Oder ich ähnele dem Bauern, der die nimmersatten Krähen gerne abknallen würde, das aber nicht darf.
Manchmal balancieren fünf, sechs oder sogar acht Krähen auf dem Zaunrand. Dann sehe ich, wie eine antäuscht, die nächste mit den Flügeln zuckt und sie doch sitzenbleiben bis zum letzten Augenblick – bis sie alle wie ein schwarzes Gestöber in den Himmel aufflattern. Juli
Dann zieht sie einen Halbkreis über mir und landet irgendwo auf dem Rasen in der Nähe der Landebahn. Warum die Krähen mich fürchten, weiß ich nicht so genau. Vielleicht sehe ich der Vogelscheuche ähnlich, die ohnehin keiner mehr aufstellt. Oder ich ähnele dem Bauern, der die nimmersatten Krähen gerne abknallen würde, das aber nicht darf.
Manchmal balancieren fünf, sechs oder sogar acht Krähen auf dem Zaunrand. Dann sehe ich, wie eine antäuscht, die nächste mit den Flügeln zuckt und sie doch sitzenbleiben bis zum letzten Augenblick – bis sie alle wie ein schwarzes Gestöber in den Himmel aufflattern. Juli
... link (0 Kommentare) ... comment
17. Juli - Ich bin...
365und1tag, 18:29h
...viele. Die Reise durch die bizarre Landschaft meiner ICHs und SELBSTs, der UNTERMICHs und AUSSERMIRs ist noch lange nicht vorbei.
Natürlich ist mir das ein bisschen unheimlich, dass es in Wahrheit so wenig gibt, dass ich von mir mit Sicherheit behaupten kann. Ewig wandelbar, vielleicht festgelegt in gewissen Grenzen - weiblich, Westeuropäerin - bin ich vielleicht doch in der Lage alles Mögliche mehr oder weniger zu sein. Wenn ich es will, wenn ich mich traue, wenn ich mir weiter vertraue. Juli
Natürlich ist mir das ein bisschen unheimlich, dass es in Wahrheit so wenig gibt, dass ich von mir mit Sicherheit behaupten kann. Ewig wandelbar, vielleicht festgelegt in gewissen Grenzen - weiblich, Westeuropäerin - bin ich vielleicht doch in der Lage alles Mögliche mehr oder weniger zu sein. Wenn ich es will, wenn ich mich traue, wenn ich mir weiter vertraue. Juli
... link (0 Kommentare) ... comment
Mittwoch, 16. Juli 2008
16. Juli - Wutentbrannt
365und1tag, 14:46h
Warnhinweis: Wut ist Energie und das plötzliche Freiwerden von Energie kann zu Verletzungen oder Netzüberlastungen sprich Kurzschlüssen führen.
Die Welt ist doch so, so ungerecht. Da hilft auch kein Harmoniegedüdel. Nur Augen verschließen, sich unter der Bettdecke verkriechen und die Luft anhalten kann kurzzeitig den Zorn über diese gemeine Welt vertreiben.
1. Du wirst geboren in einem Körper, der Schmerzen aushalten muss.
2. Du musst Dich durchschlagen mit „try and error“. Voll beschissen, falls Du diese fiese Lernmethode überlebst um alt genug zu sein, das andere Geschlecht zu entdecken (oder das eigene), geht es mit dem Ärger erst richtig los. Die Person, die Du am allerdollsten liebst, will von Dir garantiert nichts wissen. Wenn doch dann interessieren sich noch fünf weitere Personen für Dich und Du entscheidest Dich mit Sicherheit für die falsche. Okay, auf kosmischer Ebene natürlich für die Richtige, nämlich für die Person, die Dir nach spätestens 6 Wochen sowas von gründlich auf den Wecker geht, dass Du vor Wut in die Tischkante beisst oder in Deinen Hintern oder in beide abwechselnd. Denkst Du jetzt: „Ha, kein Problem, der/die/das Blöde passt nicht zu mir, den/die/das schieße ich ab, dann entscheidest Du Dich das nächste Mal garantiert wieder für die gleiche Art Person diesmal eben in Grünäugig, Blauäugig, mit oder ohne Bart, was auch immer. Solltest Du dann glauben mit Enthaltsamkeit der grauslichen Vorsehung ein Schnippchen schlagen zu können, dann wird Deine beste Freundin/Dein bester Freund die Aufgabe Deines/Deiner Liebsten übernehmen und Dich ordentlich zur Weißglut treiben. Solltest Du dann auf die blöde Idee verfallen, Dich in eine einsame Hütte zu verziehen, dann endlich, nachdem Du ein paar Bäume verprügelt und die Rehe verflucht, nachdem Du Gott, sämtliche Engel und auch den Teufel bezichtigt hast, Dir ohne Unterlass auf den Geist zu gehen, da begreifst Du, dass es dauernd nur Du selbst bist.
Wut, Wut, Wut. Ein schönes Hobby. Jeder sollte es damit mal für eine Weile versuchen. Aber ehrlich, es tut Dir nachher leid, dass Du den armen, unschuldigen Baum verprügelt hast. Vor allem wegend Deiner gebrochenen Hand und den dicken blauen Flecken an den Füßen.
Aber jetzt mal ehrlich, wer kann diese Scheißharmonie schon immer ertragen? Sogar in der Natur donnert’s und blitzt es. Das muss eben mal sein. Nur, denk daran, Andere nicht zu gemein zu verletzen mit Deiner Wut. Wäre doch Schade drum. Juli
Die Welt ist doch so, so ungerecht. Da hilft auch kein Harmoniegedüdel. Nur Augen verschließen, sich unter der Bettdecke verkriechen und die Luft anhalten kann kurzzeitig den Zorn über diese gemeine Welt vertreiben.
1. Du wirst geboren in einem Körper, der Schmerzen aushalten muss.
2. Du musst Dich durchschlagen mit „try and error“. Voll beschissen, falls Du diese fiese Lernmethode überlebst um alt genug zu sein, das andere Geschlecht zu entdecken (oder das eigene), geht es mit dem Ärger erst richtig los. Die Person, die Du am allerdollsten liebst, will von Dir garantiert nichts wissen. Wenn doch dann interessieren sich noch fünf weitere Personen für Dich und Du entscheidest Dich mit Sicherheit für die falsche. Okay, auf kosmischer Ebene natürlich für die Richtige, nämlich für die Person, die Dir nach spätestens 6 Wochen sowas von gründlich auf den Wecker geht, dass Du vor Wut in die Tischkante beisst oder in Deinen Hintern oder in beide abwechselnd. Denkst Du jetzt: „Ha, kein Problem, der/die/das Blöde passt nicht zu mir, den/die/das schieße ich ab, dann entscheidest Du Dich das nächste Mal garantiert wieder für die gleiche Art Person diesmal eben in Grünäugig, Blauäugig, mit oder ohne Bart, was auch immer. Solltest Du dann glauben mit Enthaltsamkeit der grauslichen Vorsehung ein Schnippchen schlagen zu können, dann wird Deine beste Freundin/Dein bester Freund die Aufgabe Deines/Deiner Liebsten übernehmen und Dich ordentlich zur Weißglut treiben. Solltest Du dann auf die blöde Idee verfallen, Dich in eine einsame Hütte zu verziehen, dann endlich, nachdem Du ein paar Bäume verprügelt und die Rehe verflucht, nachdem Du Gott, sämtliche Engel und auch den Teufel bezichtigt hast, Dir ohne Unterlass auf den Geist zu gehen, da begreifst Du, dass es dauernd nur Du selbst bist.
Wut, Wut, Wut. Ein schönes Hobby. Jeder sollte es damit mal für eine Weile versuchen. Aber ehrlich, es tut Dir nachher leid, dass Du den armen, unschuldigen Baum verprügelt hast. Vor allem wegend Deiner gebrochenen Hand und den dicken blauen Flecken an den Füßen.
Aber jetzt mal ehrlich, wer kann diese Scheißharmonie schon immer ertragen? Sogar in der Natur donnert’s und blitzt es. Das muss eben mal sein. Nur, denk daran, Andere nicht zu gemein zu verletzen mit Deiner Wut. Wäre doch Schade drum. Juli
... link (0 Kommentare) ... comment
Dienstag, 15. Juli 2008
15. Juli - Begegnung
365und1tag, 17:28h
An der Straßenbahnhaltestelle spricht Charlotte plötzlich jemand an. „Bist Du nicht auch am Kästner?“ Sie blickt erstaunt von ihrem Buch auf und nickt zögernd. „Hast Dich irgendwie verändert in letzter Zeit“, plappert der Junge weiter. „Irgendwas mit den Haaren“, er schaut sie prüfend von oben bis unten an, „und mit Deinen Klamotten.“ Als sie immer noch nichts sagt, streckt er ihr die Hand entgegen. „Ich bin der Peter!“ Sie rührt sich immer noch nicht. „Eine Stufe über Dir“. Charlotte runzelt die Stirn. „Hast du eine Zigarette für mich? Weißt du meine Mutter hat einen neuen Freund und ist jetzt dauernd bei ihm. Sie lässt mir nur so wenig Taschengeld da, das reicht dann nicht mehr für Kippen. Sie will auch nicht, dass ich rauche. Na ja, und ich bin jetzt schon zweimal beim Klauen erwischt worden.“ Peter zaubert ein charmantes Lächeln auf sein Gesicht. Als Antwort kramt Charlotte in der Tasche ihres langen schwarzen Mantels und reicht ihm schließlich ein Päckchen zerdrückte Gaulloises. Er nimmt sich gleich zwei und steckt eine in seine Tasche. „Feuer?“ Er schaut ihr immer noch charmant lächelnd in die Augen. Etwas widerstrebend gibt sie ihm auch Feuer, steckt ihre Zigaretten und das Feuerzeug wieder ein. Sie schaut auf die Uhr und dann die Straßenbahnschienen entlang. Noch ist die 21 nicht in Sicht. Sie schlägt ihr Buch wieder auf. „Wo willst Du denn hin?“ Seufzend lässt Charlotte ihr Buch erneut sinken, behält aber den Finger zwischen den Seiten. „Hauptwache“, sagt sie möglichst kurz angebunden und hofft, dass dies deutlich genug ihre Ablehnung zeigt. „Da fahre ich auch hin“, ruft Peter fröhlich, „dann können wir uns ja zusammensetzen.“ Charlotte lächelt kurz verkniffen und schlägt abermals ihr Buch auf. Nun entfernt sich Peter ein paar Schritte. Kommt aber gleich darauf zurück und verkündet, dass die Bahn endlich komme. Also packt Charlotte ihr Buch in die Schultertasche und steigt in die Bahn. Sie will sich auf einen Einzelplatz setzen, aber die sind alle besetzt. Sie bleibt stehen. Aber Peter hält sich an einer Halteschlaufe direkt über ihr fest. „Bin gerade unterwegs ins Kino, will mir ‚Das Ding’ angucken. Das soll ein total guter SciFi-Horrorfilm sein, mit interessanten Spezialeffekten!“ Charlotte sagt noch immer nichts, aber ihr Gesicht schaut etwas weniger unfreundlich. „Gehst du gerne ins Kino? Ich habe Freikarten für morgen Nachmittag, hast du Lust mitzukommen?“ „Vielleicht. Was für ein Film denn?“ „Die Klapperschlange mit Kurt Russel.“ Den hat sich Charlotte sowieso ansehen wollen, sie überlegt, „haste vielleicht auch drei Freikarten? Dann würde ich noch ne Freundin mitbringen.“ Peter zögert. „Ja, klar, dann treffen wir uns morgen um vier wieder an der Haltestelle wir müssen dann ins Royal. - Ich muss gleich aussteigen. Kannst du mir noch ein, zwei Zigaretten spenden?“ Charlotte reicht ihm wortlos zwei weitere. „Bis morgen“, ruft er und springt beim nächsten Halt aus der Straßenbahn. Juli
... link (0 Kommentare) ... comment
... older stories