Montag, 16. Juni 2008
16. Juni - Begegnung
Rita schlenderte die Goethestraße entlang. Endlich frei! Was sollte sie mit diesem wunderschönen Sommertag anfangen? Vielleicht im Park einen ausgedehnten Spaziergang und danach ein Eis bei „da Carlo“, den gehetzten Menschen zuschauen, den quengeligen Kindern, den gestressten Müttern. Und sie hatte heute alle Zeit der Welt.

„Hey, Rita, wie geht’s denn so? Lange nicht gesehen!“

Rita drehte sich um. Die Stimme kam ihr doch bekannt vor. Schon sah sie Georg über die Straße zwischen zwei Autos hindurch auf sie zulaufen. Oh, nein ausgerechnet Georg. Rita zwang sich zu einem Lächeln.

„Hi!“

„Gut siehst Du aus!“ Georg grinste sie breit an.

Rita konnte dieses Kompliment nun wirklich nicht erwidern. Georg hatte sich völlig verändert. Sein Gesicht aufgedunsen und auch sonst wirkte er moppeliger als früher. Dabei war er auch in der Oberstufe schon keine Schönheit gewesen. Sie erinnerte sich noch gut an seine stillen aber ausdauernden Annäherungsversuche. Er kapierte einfach nicht, dass sie ihn zum Kotzen fand. Einfach unausstehlich. Widerlich. Und jetzt schaute er schon wieder so.

„Mensch, dass wir uns mal wiedersehen! Bist Du immer noch mit diesem Dings, dem Anwalt zusammen?“

Rita runzelte die Stirn. „Bastian meinst Du? Nein, nein.“ Um Gottes Willen! Georg erinnerte sich noch an den! Das war doch mindestens 15 Jahre her. Wie kam er darauf, dass sie immer noch mit diesem Totalversager zusammen war?

„Und, was treibst Du so?“

„Och“, sagte sie. Was konnte sie erzählen? Bloß nichts sagen, aus dem Georg Rückschlüsse auf ihren Arbeitsplatz oder Wohnort ziehen konnte. Der fing wieder an mit albernen Geschenken und schmalzigen Briefen!

„Ich bin jetzt beim Fernsehen“, platzte Georg heraus, „kleiner Privatsender, aber voll seriös. Nicht so Spiele, richtig Moderation!“

„Schön, gratuliere.“ Rita rang sich ein Lächeln ab. Das passte zu Georg, vor 15 Jahren hatte er rumgesponnen mal den Gottschalk abzulösen. Große Samstagsabendshow. Klar! Was war falsch mit ihr, dass solche Totalversager auf sie abfuhren? Sie schaute auf ihre Armbanduhr. „Du, war nett. Hab’s leider eilig!“ seitdem ich Dich Hirni getroffen habe, ergänzte sie bei sich und lächelte wieder gequält.

„Oh, ja klar“, sagte Georg, „toll, dass wir uns mal getroffen haben!“

„Ja, wirklich toll.“ Warum merkte er nicht, dass sie diese Begegnung alles andere als toll fand? Sie wandte sich halb zum Gehen.

„Will Dich nicht aufhalten.“ Und warum laberte er dann weiter?

„Mach’s gut. Viel Erfolg noch mit Deiner Sendung“. Mühsam hielt sie die Maske der Höflichkeit aufrecht. Drei Meter hatte sie schon zwischen sich und ihn gebracht.

„Ja, Tschüß dann, hab’ auch noch n Termin!“, rief er. Wer’s glaubt wird selig!

Rita schlenkerte unbestimmt mit der rechten Hand in der Luft, lächelte ein letztes Mal wie aufgezogen und ging mit eiligen Schritten davon. Als sie sich noch einmal umdrehte, sah sie wie Georg ihr nachblickte, die Hand immer noch zum Abschiedsgruß erhoben. Juni

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Sonntag, 15. Juni 2008
15. Juni - Die Verhandlung
Zeus saß auf der Anklagebank. Er schmollte. Mit fest vor der Brust verschränkten Armen beobachtete er den Richter, der gerade den Saal betrat.

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Samstag, 14. Juni 2008
14. Juni - Durchgeknallt
Einfach durchgeknallt, die Glassplitter flogen Karin nur so um die Ohren. Verdammt nochmal, das ging doch nicht mit rechten Dingen zu. Schon die zweite Glühbirne, die explodierte, sobald Karin den Schalter umlegte. Vielleicht war das jetzt die Rache, weil sie keine Energiesparbirnen eingeschraubt hatte. Zum Glück dämmerte es draußen erst, so konnte Karin wenigstens etwas sehen. Trotzdem stieß sie sich das Knie an der Ecke der großen Eichentruhe. Mist!

Dieses blöde Haus war viel zu groß. Das hatte sie Herbert gleich gesagt. Und alt. Und renovierungsbedürftig. Aber er konnte nicht anders als zuschlagen. „Für den Spottpreis bekommst Du nie wieder so eine Villa mit einem Riesengrundstück“, hatte er gesagt. Aber Herbert gehörte auch zu den Leuten, die fünfzehn Topfuntersetzer kauften, weil sie im Preis reduziert waren. Ob er den Mist wirklich brauchte, hatte ihn noch nie interessiert. Und nun war Karin hier allein, eine Glühbirne nach der anderen knallte durch. Bald würde es stockduster sein. Kerzen waren keine im Haus. Die hatte es wohl nicht irgendwo im Angebot gegeben, dachte Karin missgelaunt. So ein Blödsinn. Und der Mobilempfang war hier auch äußerst lausig. Im nächsten Raum tat sich einfach gar nichts als sie den Lichtschalter betätigte, war auch kein Wunder, es hing gar keine Lampe an der Decke. Wenigstens war der Raum völlig leer bis auf den zerrissenen und aufgerollten Teppich in einer Zimmerecke. Was suchte sie nochmal hier? Jetzt hatte Karin es vergessen.

Im nächsten Zimmer gab es einen Kamin und eine atemberaubende Aussicht durch ein großes Panoramafenster. Der Himmel schien rosa auf im letzten zarten Blau. Die Schwärze der Nacht kroch ganz langsam näher, aber noch konnte Karin den Park und die Berge in absoluter Klarheit erkennen. Sie trat ans Fenster. Ohne es zu bemerken streichelte sie mit ihrer Hand leicht über die Fensterbank aus Marmor. Ein Ricke lief über den Rasen, gefolgt von zwei Kitzen. Einen Augenblick drehten sie die Köpfe in Karins Richtung und schauten sie aufmerksam aus schwarzen Augen an, ihre Ohren leuchteten im letzten Abendrot. Dann drehte sich die Ricke um und trottete davon, die beiden Kleinen sprangen hinterher.
Karin wandte sich ins Zimmer zurück. Ein schönes Feuer im Kamin wäre sicher nicht schlecht. Mit ein bisschen Farbe hier und da, ein paar neuen elektrischen Leitungen und neuen Teppichen könnte man aus dem Haus vielleicht doch etwas machen. Juni

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