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Donnerstag, 5. Juni 2008
5. Juni - Marta
365und1tag, 02:38h
Marta guckte gelangweilt. Was der Lehrer da an der Tafel erzählte stimmte doch hinten und vorn nicht. Überhaupt waren diese ganzen Lehrbücher hoffnungslos veraltet. Und alles wurde ohne Rücksicht einfach wiedergekäut, ob es nun schon seit Jahren oder Jahrzehnten wiederlegt war oder nicht. Da war es sogar lehrreicher vor dem Fenster den Kastanien beim Wachsen zuzusehen. Oder die Kästchen im Heft mit lauter kleinen Figuren zu versehen. Ihr Lehrer übersah höflich, dass sie anstatt mitzuschreiben nur kleine Zeichnungen anfertigte. Schließlich hatte sie in jeder Klassenarbeit die besten Noten. Marta konnte nichts dafür. So war sie eben. Sie musste sich noch nicht einmal sehr anstrengen dafür. Sie interessierte sich eben für alles Mögliche und hatte von klein auf über eine große Bibliothek verfügt. Ihre Eltern hatten sie immer in all ihren Interessen unterstützt. Es hatte auch nicht viel geholfen, dass sie eine Klasse übersprungen hatte. Sie langweilte sich immer noch im Unterricht und wurde nun auch noch von ihren neuen Mitschülern gehasst. Wahrscheinlich weil sie sich nicht einmal anstrengen musste, um auch in dieser Klassenstufe die Beste zu sein. Marta war daran gewöhnt anders zu sein. Mit der Einsamkeit kam sie klar. Sie störte nur, dass sie trotz all ihrer Intelligenz noch keinen Weg gefunden hatte, der Welt ihre Erkenntnisse mitzuteilen. Marta wurde zwar wie ein Wundertier vorgeführt, angeblich sogar gefördert. Aber sie merkte, dass sie in einer derartig anderen Welt lebte, dass sie sich kaum noch mit anderen Menschen verständigen konnte. Plötzlich hörte Marta auf zu zeichnen. Jetzt wusste sie, was sie tun musste. Sie packte ihre Tasche, stand auf und ging zur Tür. „Wo willst Du hin?“, fragte der Lehrer. Marta blieb die Hand auf der Klinke stehen. Tausend Antwortmöglichkeiten schossen ihr durch den Kopf. Alle waren anmaßend und überheblich. Schließlich sagte sie: „Ich muss mir endlich einen Lehrer suchen, der mir noch etwas beibringen kann.“ Betretenes Schweigen. Im Gesicht des Lehrers entgleiste etwas. Die Schüler in der Klasse duckten sich in ihren Bänken und hielten gespannt den Atem an. Schließlich fasste sich der Lehrer. „Ja, das ist sicher besser“, sagte er mit fester Stimme und nickte Marta zum Abschied zu. Leise drückte sie die Tür hinter sich ins Schloss und wusste zum allerersten Mal im Leben nichts mehr. Juni
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Dienstag, 3. Juni 2008
4. Juni - Nie passiert etwas
365und1tag, 23:38h
Doris sitzt am offenen Fenster und beobachtet. Meyers schwarze Katze läuft über Boltes Hofeinfahrt, schnüffelt an ein paar Grasbüscheln, die zwischen den Steinen hervorsprießen, und geht dann den langen Weg am Haus entlang Richtung Garten. Jede Katze der Nachbarschaft hat Doris dort schon entlanglaufen sehen. Was sie eigentlich in Boltes Garten zu suchen haben, ist ihr immer noch ein Rätsel. Dann kommt der Peppi mit seinem Einkaufstrolley die Straße hinaufgeschnauft. Er hält an jedem Briefkasten und steckt das Blättchen hinein. Ein blaues Auto fährt vorbei, das Doris nicht kennt. Ein rotes Auto kommt vorgefahren, hält bei Trägers schräg gegenüber. Ein Mann im dunklen Anzug steigt aus, geht zur Haustür und schellt. Natürlich macht keiner auf. Trägers sind beide arbeiten. Der Mann klingelt noch einmal, schaut auf seine Schuhspitzen, zieht die Krawatte gerade. Schließlich schreibt er etwas auf ein Kärtchen, das er aus der Innentasche fischt, klemmt es an die Tür und fährt wieder davon. Es ist ruhig, so ruhig, dass sich eine Rabenkrähe in Sicherheit wiegt und aufgeregt an dem gelben Sack neben Meyers Mülltonnen zerrt. Eifrig stochert sie mit ihrem Schnabel. Der Sack ist schon halb aufgerissen, die leeren Verpackungen quillen hervor. Dann schlittert eine Dose laut scheppernd zu Boden. Erschrocken flattert die Krähe davon. Etwas später kommt der Postbote. Doris sieht ihn schon von weitem die Straße heraufkommen mit seinem gelben Minitransporter. Alle zehn Meter hält er an und verteilt die Post an die zwei oder drei naheliegenden Häuser. Es dauert fast eine Viertelstunde bis er endlich auf der Höhe von Doris angekommen ist. Für Trägers gibt es nur Briefe, für Meyers ein Paket, für Boltes eine Zahlungsaufforderung. Für Doris hat der Postbote nichts, noch nicht einmal Reklame. Der Schmidt aus dem Hegelweg fährt in seinem alten VW vorbei. Gerade als Doris aufstehen will, um Mittag zu kochen, kommt Frau Träger nach Hause. Als sie vollbepackt die Haustür aufschließt, flattert das kleine Kärtchen von ihr ungesehen zu Boden. Doris will der Träger schon zurufen. Aber dann sagt sie sich: „Lieber nicht, die denkt sonst noch, ich hänge den ganzen Tag nur am Fenster herum.“ Juni
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Dienstag, 3. Juni 2008
3. Juni - Menschen stören einfach
365und1tag, 01:18h
Direkt unterm Nistkasten im Schatten des Baumes hat es sich die Frau gemütlich gemacht. Manchmal wedelt sie mit der Hand, um ein Insekt zu vertreiben. Aber meistens liest sie nur und merkt kaum, was um sie herum vorgeht. Nur als eine kleine Springspinne sich in ihren Ausschnitt verirrt, hilft sie der wieder hinaus bevor sie weiterliest. Die hungrigen Vöglein sitzen im warmen Nest und warten auf Futter. Sie sind noch still. Schließlich sind sie gerade gefüttert worden. Aber jetzt wird es doch Zeit, dass ein kleiner Wurm vor ihren Schnabel gehalten wird, den sie selig verschlingen können.
Wo bleiben denn bloss die alten Vögel? Haben sie die kleinen Vögelchen vergessen? Hat sie die Katze geholt. Nein, sie sitzen in sicherer Entfernung, hinter der Hecke auf einem Baum und lauern, wann die Frau endlich verschwindet. Schließlich piepen die kleinen Vögelchen laut und immer lauter. Die alten Vögel antworten und flattern aufgeregt in sicherer Entfernung hin und her. Alle schreien laut durcheinander. Die Frau schaut auf. Was machen denn die Vögel plötzlich so einen Lärm?, denkt sie. Dann klappt sie das Buch zu, packt ihre Sachen zusammen und geht. Die Sonne ist sowieso gerade hinter einer dicken Wolke verschwunden. Wahrscheinlich geben die Vögel deswegen ein Konzert. Juni
Wo bleiben denn bloss die alten Vögel? Haben sie die kleinen Vögelchen vergessen? Hat sie die Katze geholt. Nein, sie sitzen in sicherer Entfernung, hinter der Hecke auf einem Baum und lauern, wann die Frau endlich verschwindet. Schließlich piepen die kleinen Vögelchen laut und immer lauter. Die alten Vögel antworten und flattern aufgeregt in sicherer Entfernung hin und her. Alle schreien laut durcheinander. Die Frau schaut auf. Was machen denn die Vögel plötzlich so einen Lärm?, denkt sie. Dann klappt sie das Buch zu, packt ihre Sachen zusammen und geht. Die Sonne ist sowieso gerade hinter einer dicken Wolke verschwunden. Wahrscheinlich geben die Vögel deswegen ein Konzert. Juni
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