Montag, 8. Dezember 2008
8. Dezember - Eremitage
Ganz allein auf einem Berg. Klirrende Kälte und eisige Klarheit. Die ganze Welt liegt vor mir ausgebreitet.
Ich schließe sie in meine Arme. Ich spucke auf sie. Ich lache mit ihr. Ich schicke Wind und Regen über das Land. Lasse Schnee rieseln oder die Sonne scheinen.

Die Sterne dirigiere ich dort oben. Lasse den Mond aufgehen in seiner geheimnisvollen Halbheit. Die Hütte in meinem Rücken ist meine Höhle. Dort grabe ich mich tief in Decken. Wärme meine Glieder am Feuer und schlürfe heißen Tee mit Schuß. Nur rauhe Wände, das prasselnde Feuer, die Welt und ich. Dezember

... link (0 Kommentare)   ... comment


7. Dezember - Lange Nächte
Diese Zeit im Jahr, wenn die Nächte immer länger und kälter werden. Wenn die Tage im besten Falle kurz und sonnig sind. Die Abendsonne am Horizont feuerrot verglüht.

Die langen Schatten in einem tiefdunklen Violett auslaufen und die Bergspitzen blau leuchten. Im schlimmsten Falle bleibt es den ganzen Tag grau in grau. Verhangen mit einer watteweichen, bleiernen Wolkendecke erscheint der Himmel unerreichbar. Die Bäume recken ihm davon unbeeindruckt ihre nackten Äste entgegen.

Manchmal fisselt ein dünner Sprühregen aus den grauen Wolken oder sogar waschechter, weißer Schnee. Kristall für Kristall rieselt dann leise auf den Boden. Verschluckt alle Geräusche - für einen Augenblick. Bis dann der Schneematsch am Straßenrand sich türmt. Staumeldungen und Glatteiswarnungen aus dem Radio plärren.

Die längste Zeit des Tages herrscht Dunkelheit. Mühsam beleuchtet von der Straßenlaterne vor meinem Fenster. Nur am Horizont glitzern die Lichter der nächsten Ortschaft. Nicht lange nach Mitternacht erlischt auch das letzte von ihnen wie auch die Laterne vor meinem Fenster. Wenn ich dann das Licht lösche, bin ich ganz von samtener Schwärze umfangen. Weich streicht sie über meine Wangen und wiegt mich in meine Träume. Dezember

... link (0 Kommentare)   ... comment


6. Dezember - Nikolaus
Nikolaus hasste seinen Vornamen. Ganz besonders am sechsten Dezember, weil ihn dann jeder fragte: "Hast du mir was mitgebracht?" oder "Soll ich meine Stiefel ausziehen?"

Das wäre ja ganz lustig, wenn nicht jeder, wirklich jeder jedes Jahr aufs Neue die selben alten Scherze machen würde. Deshalb hatte sich Nikolaus in diesem Jahr von Ende November bis Mitte Dezember Urlaub genommen. Eigentlich wollte er den Zuhause verbringen, aber als sein Nachbar bereits am ersten Advent lustige Nikolaus-Sprüche über den Zaun warf, beschloss er seinen Koffer zu packen und abzuhauen. Last Minute. Irgendwohin, wo die Leute kein Weihnachten feierten. Die Dame am Schalter der Fluglinie schien ein wenig überfordert, als er einen Flug in eine Weihnachtsfreie Zone verlangte. Schließlich schlug sie Bali vor.

Der Flug dorthin war lang. Nikolaus konnte im Flugzeug schlecht schlafen. Die Beine taten ihm weh. So richtig herumlaufen durfte er nicht. Aber nach mehr als 14 Stunden und mehreren Zwischenstationen kam er endlich an. Er atmete auf. Hier in Bali, wo der Großteil der Bevölkerung hinduistischen Glaubens war, da musste er doch seine Ruhe haben.

Bei der Kofferausgabe erlebte er dann doch einen Schock. Eine deutsche Touristengruppe wurde von ihrem Reiseleiter mit Nikolausmütze abgeholt. Auch der Duty-Free-Shop wies weihnachtliche Dekoration auf. Als er aber dann aus dem Flughafen trat, gleißte die Sonne und weit und breit waren weder Tannenbäume noch Weihnachtsmänner zu sehen. Dezember

... link (0 Kommentare)   ... comment