Dienstag, 23. September 2008
23. September - Das Gegenteil von gut
Heiner ruft aus der Küche. „Komm essen!“ Rita seufzt. Andauernd nervt der Typ. Erst kochen, dann aufwaschen, dann staubsaugen, putzen, einkaufen, ausgehen.

Und dann noch unerträgliche Einmischung in ihre Kleiderwahl.

„Zieh doch bitte das grüne Kleid an. Jeans und Bluse sind doch viel zu leger.“

Seit Rita mit Heiner zusammen ist, hat sie immer öfter das Gefühl, er behandele sie wie ein Kind. Wenn sie ihm sagt: „Halt dich da raus, ich ziehe mich an wie ich will“, dann sagt er sofort: „Aber ich kümmere mich doch nur um dich, weil ich dich so liebe!“ Schaut aus der Wäsche wie ein getretener Hund dabei. Wie soll Rita sich da noch weiter aufregen?

Sie ist so ungern im Unrecht oder wohlmöglich gemein, lieblos und hartherzig. Also schluckt sie tapfer runter, was ihr auf der Zunge brennt, im Hals schwillt und im Bauch grummelt. Eingeengt fühlt sie sich von soviel Fürsorge. Weil das Etikett Liebe dranklebt, wagt sie nur zaghafte Gegenwehr.

Aber, so denkt sie in letzter Zeit, ist das nicht nur ein gigantischer Schwindel? Kann das Liebe sein, wenn sich einer dauernd so über sie drüberstülpt und ihr jegliche eigene Initiative nehmen will? Immer über sie bestimmen will? Immer alles besser weiß? Auch wie sie sich zu fühlen hat?

Sie hat es so gründlich satt. Und immer öfter schaut der Heiner getreten aus der Wäsche. Spielt sie aus die Böse-Rita-Karte. Nur dass ihr schlechtes Gewissen sich inzwischen häufiger verflüchtigt. Zur Hölle mit der freundlichen, lieben, geduldigen Rita. Diese Behandlung bringt den Giftzwerg in ihr hervor. Wütend tanzt der Zwerg auf dem Parkett und hätte nichts dagegen statt nur auf Heiners Gefühlen auch auf seinem Rücken herumzutrampeln. Solch ein Zorn wütet in ihr. Der Giftzwerg spuckt Gift und Galle. Die liebevolle Fürsorge juckt und kratzt wie ein viel zu enger Schurwollpullover. Rita hat noch keine Idee, wie sie Heiner davon abhalten soll die Gluckenmutter zu geben. Aber in einem ist sie sich sicher: Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. September

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22. September - Ideenlos?
Franz war einfach schon immer total ideenlos, das hatten ihm seine Lehrer seit jeher bescheinigt. Wenn er im Kunstunterricht einen Baum malte, groß und mächtig mit bunten Blüten vor einer idyllischen Landschaft mit Äckern und Wiesen, mit Bach und Weg, eine geschwungene Bergkette am Horizont und blauer Himmel mit Schäfchenwolken, dann sagten sie ihm, dies sei ganz nett, hübsch und sogar gut ausgeführt aber doch wahnsinnig ideenlos, so gar nicht avantgardistisch oder kritisch oder sublim oder ätherisch oder popartig oder wenigstens irgendwie surreal.

Franz neigte dann beschämt seinen Kopf, um die Röte seiner Wangen zu verbergen. Und doch, er konnte nicht anders. Er malte am liebsten Landschaften mit einem Baum als Mittelpunkt. Mal stand der Baum in Blüte, mal hing er voller Früchte, mal leuchteten seine Blätter gelb und rot, dann ragten schwarze Äste in den Winterhimmel. Er malte Bäume im Morgenlicht, in der Abendsonne und in wallendem Nebel verborgen. Er wurde immer besser darin. Irgendwann malte er ein paar Schafe auf einer Weide dazu, dann Reiter auf den Wegen und Vögel am Himmel. Seine Gemälde wurde immer belebter. Der mächtige Baum wanderte langsam vom Zentrum des Bildes an den Rand. Andere Bildinhalte wurden wichtiger.

Aber seine Lehrer lobten nach wie vor höchstens die Akkuratheit seines Pinselstrichs und tadelten die Ödnis seines immergleichen Themas. Franz ließ dann mehr aus Gewohnheit denn aus Scham einen Moment den Kopf hängen. Und dann malte er weiter seine immer belebteren Landschaften mit Baum. Er wollte nicht anders. September

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