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Mittwoch, 17. September 2008
17. September - Später Besuch
365und1tag, 20:20h
Eines Nachts kam ein knorriger, alter Mann an meine Tür und klingelte. Normalerweise mache ich um die Uhrzeit die Haustür unten gar nicht mehr auf. Aber ich erwartete eine Freundin, die sich bereits per Telefon angekündigt hatte. Also drückte ich ohne lange nachzufragen den Summer, öffnete meine Wohnungstür einen Spalt und verschwand wieder in der Küche, um Tee zuzubereiten.
Als nach zwei Minuten immer noch keine Caro bei mir in der Küche stand, wunderte ich mich und ging wieder an die Tür. Sie stand immer noch einen Spalt offen, unverändert. Ich öffnete sie und lauschte ins Treppenhaus. Ein keuchender Atem war zu hören, schwere Schritte, ein hohler, klackernder Ton. Caro konnte das nicht sein, außer sie hatte über Nacht 100 Kilogramm zugenommen, sich außerdem noch beide Beine gebrochen und versuchte jetzt mit Krücken in den fünften Stock zu gelangen. Ich versuchte durch die Treppengeländer nach unten zu erspähen, wer sich da näherte. Ich sah aber nichts weiter als eine alte, sehr alte knorrige Hand, die sich in Zeitlupentempo am Handlauf nach oben schob. Sich festkrallte. Dann wieder löste und ein paar Zentimeter weiter oben zukrallte. Die Adern traten hervor, knotig waren die Finger und große Altersflecken prangten auf dem Handrücken.
„Hallo!“, rief ich zaghaft. Das Keuchen wurde lauter, dann ein knapper Ruf. Ich verstand aber nicht, was gerufen wurde. Eine große Furcht erfasste mich. Wer schellte um diese Uhrzeit bei mir? Keuchte langsam wie eine Schnecke die Treppen hinauf? Schnell glitt ich zurück in meine Wohnung und schloss die Wohnungstür hinter mir. Leise. Und lauschte. Legte mein Ohr an das glatte Holzimitat. Bestimmt hatte sich der Mann getäuscht. Im Dunkeln die falsche Klingel gedrückt. Vielleicht wollte er zu Familie Semmerau von unten. Ich unterdrückte ein Zittern. Ein lautes Klacken ertönte. Das Flurlicht hatte sich automatisch ausgeschaltet. Dann ein leises Klicken. Wieder an.
Ich schaute durch den Spion. Ich sah einen alten Mann mit einem dunklen Wurzelholzstock im zerschlissenen Lodenmantel, mit weißem Backenbart und einer Schiffermütze auf dem Kopf vor meiner Tür stehen. Langsam schob sich der Zeigefinger seiner Hand auf meine Klingel. Noch bevor er sie berührte, wusste ich, ich mache nicht auf. Nein, niemals. Als ich dies dachte zuckte das linke Auge des Mannes in meine Richtung. Sein Augapfel drehte sich und blickte mich voll an. Ertappt machte ich einen Schritt zurück in meine Wohnung. Die Türklingel schrillte in meinen Ohren. Ich versuchte unhörbar zu atmen. Wartete. Er klingelte wieder. Mich an der Wand entlang tastend trat ich den Rückzug in meine Küche an. Drrrring. Ich hasste diesen Ton. Nun ließ er den Finger auf der Klingel. Ich spürte das Knirschen des alten Fingernagels auf dem Knopf.
„Verdammt nochmal“, brüllte ich, „wer sind Sie, was wollen Sie? Mitten in der Nacht?“ Das Klingeln erstarb. Keine Antwort. Vorsichtig näherte ich mich wieder der Tür, spähte durch den Spion. Der Mann hielt einen Zettel hoch.
„Suche Arbeit!“, stand dort in großen Lettern.
„Nachts um Elf?“, rief ich erbost. „Machen Sie, dass Sie wegkommen.“ Dann wurde plötzlich etwas weich in mir.
„Warten Sie einen Moment“, sagte ich und lief in die Küche, um etwas zu essen und eine Flasche Bier in eine Tüte zu packen. Auch zwei Geldscheine legte ich dazu. Dann legte ich die Kette vor, öffnete die Tür einen Spalt und reichte die Tüte hinaus. „Tut mir leid, mehr kann ich nicht für sie tun.“
„Doch, bitte“, stieß der Mann mit rauher Stimme hervor, „würden sie bitte einen Moment meine Hand halten?“ Und schon griff er nach meiner Hand, die die Tüte festhielt, umschloß sie sanft mit seiner alten, knotigen Hand. Ich schaute den Mann an, sah seine Augen, voller Trauer, voller Abschied, voller Freude. Ganz sanft lag meine Hand in seiner.
„Wer…“, begann ich. Und dann begriff ich.
„Warte“, ich löste meine Hand aus seiner, öffnete die Tür und ließ den alten Mann ein.
„Komm!“ Ich führte ihn den Flur entlang Richtung Küche.
„Psst! Du schläfst gerade.“ Ich öffnete kurz die Tür zu Saschas Zimmer. Er war noch klein und niedlich, gerade fünf, er hatte seinen Plüschdelphin im Arm, die Beine freigestrampelt. Leise führte ich den Mann in die Küche, bat ihn sich zu setzen.
„Du träumst gerade“, sagte ich zu Sascha, den ich hinter den Augen des alten Mannes erkannt hatte. Er nickte.
„Ich bin gerade gestorben und du träumst von mir, damit du noch einmal mit mir Tee trinken, meine Hand halten und dich verabschieden kannst.“ Wieder nickte der alte Mann. Also tranken wir Tee und hielten uns an der Hand. Als der Alte Luft holte, schüttelte ich den Kopf.
„Sag’s mir nicht!“ Und so saßen wir bis Sascha aufhörte zu träumen. Ich erkannte es daran, dass die Augen des Alten plötzlich dunkelgrau wurden. Da entzog mir der Mann verlegen seine Hand, stand auf, nahm die Tüte mit den Kostbarkeiten und verließ schlurfend meine Wohnung. Zehn Minuten später klingelte Caro. Ich musste neues Teewasser aufsetzen. September
Als nach zwei Minuten immer noch keine Caro bei mir in der Küche stand, wunderte ich mich und ging wieder an die Tür. Sie stand immer noch einen Spalt offen, unverändert. Ich öffnete sie und lauschte ins Treppenhaus. Ein keuchender Atem war zu hören, schwere Schritte, ein hohler, klackernder Ton. Caro konnte das nicht sein, außer sie hatte über Nacht 100 Kilogramm zugenommen, sich außerdem noch beide Beine gebrochen und versuchte jetzt mit Krücken in den fünften Stock zu gelangen. Ich versuchte durch die Treppengeländer nach unten zu erspähen, wer sich da näherte. Ich sah aber nichts weiter als eine alte, sehr alte knorrige Hand, die sich in Zeitlupentempo am Handlauf nach oben schob. Sich festkrallte. Dann wieder löste und ein paar Zentimeter weiter oben zukrallte. Die Adern traten hervor, knotig waren die Finger und große Altersflecken prangten auf dem Handrücken.
„Hallo!“, rief ich zaghaft. Das Keuchen wurde lauter, dann ein knapper Ruf. Ich verstand aber nicht, was gerufen wurde. Eine große Furcht erfasste mich. Wer schellte um diese Uhrzeit bei mir? Keuchte langsam wie eine Schnecke die Treppen hinauf? Schnell glitt ich zurück in meine Wohnung und schloss die Wohnungstür hinter mir. Leise. Und lauschte. Legte mein Ohr an das glatte Holzimitat. Bestimmt hatte sich der Mann getäuscht. Im Dunkeln die falsche Klingel gedrückt. Vielleicht wollte er zu Familie Semmerau von unten. Ich unterdrückte ein Zittern. Ein lautes Klacken ertönte. Das Flurlicht hatte sich automatisch ausgeschaltet. Dann ein leises Klicken. Wieder an.
Ich schaute durch den Spion. Ich sah einen alten Mann mit einem dunklen Wurzelholzstock im zerschlissenen Lodenmantel, mit weißem Backenbart und einer Schiffermütze auf dem Kopf vor meiner Tür stehen. Langsam schob sich der Zeigefinger seiner Hand auf meine Klingel. Noch bevor er sie berührte, wusste ich, ich mache nicht auf. Nein, niemals. Als ich dies dachte zuckte das linke Auge des Mannes in meine Richtung. Sein Augapfel drehte sich und blickte mich voll an. Ertappt machte ich einen Schritt zurück in meine Wohnung. Die Türklingel schrillte in meinen Ohren. Ich versuchte unhörbar zu atmen. Wartete. Er klingelte wieder. Mich an der Wand entlang tastend trat ich den Rückzug in meine Küche an. Drrrring. Ich hasste diesen Ton. Nun ließ er den Finger auf der Klingel. Ich spürte das Knirschen des alten Fingernagels auf dem Knopf.
„Verdammt nochmal“, brüllte ich, „wer sind Sie, was wollen Sie? Mitten in der Nacht?“ Das Klingeln erstarb. Keine Antwort. Vorsichtig näherte ich mich wieder der Tür, spähte durch den Spion. Der Mann hielt einen Zettel hoch.
„Suche Arbeit!“, stand dort in großen Lettern.
„Nachts um Elf?“, rief ich erbost. „Machen Sie, dass Sie wegkommen.“ Dann wurde plötzlich etwas weich in mir.
„Warten Sie einen Moment“, sagte ich und lief in die Küche, um etwas zu essen und eine Flasche Bier in eine Tüte zu packen. Auch zwei Geldscheine legte ich dazu. Dann legte ich die Kette vor, öffnete die Tür einen Spalt und reichte die Tüte hinaus. „Tut mir leid, mehr kann ich nicht für sie tun.“
„Doch, bitte“, stieß der Mann mit rauher Stimme hervor, „würden sie bitte einen Moment meine Hand halten?“ Und schon griff er nach meiner Hand, die die Tüte festhielt, umschloß sie sanft mit seiner alten, knotigen Hand. Ich schaute den Mann an, sah seine Augen, voller Trauer, voller Abschied, voller Freude. Ganz sanft lag meine Hand in seiner.
„Wer…“, begann ich. Und dann begriff ich.
„Warte“, ich löste meine Hand aus seiner, öffnete die Tür und ließ den alten Mann ein.
„Komm!“ Ich führte ihn den Flur entlang Richtung Küche.
„Psst! Du schläfst gerade.“ Ich öffnete kurz die Tür zu Saschas Zimmer. Er war noch klein und niedlich, gerade fünf, er hatte seinen Plüschdelphin im Arm, die Beine freigestrampelt. Leise führte ich den Mann in die Küche, bat ihn sich zu setzen.
„Du träumst gerade“, sagte ich zu Sascha, den ich hinter den Augen des alten Mannes erkannt hatte. Er nickte.
„Ich bin gerade gestorben und du träumst von mir, damit du noch einmal mit mir Tee trinken, meine Hand halten und dich verabschieden kannst.“ Wieder nickte der alte Mann. Also tranken wir Tee und hielten uns an der Hand. Als der Alte Luft holte, schüttelte ich den Kopf.
„Sag’s mir nicht!“ Und so saßen wir bis Sascha aufhörte zu träumen. Ich erkannte es daran, dass die Augen des Alten plötzlich dunkelgrau wurden. Da entzog mir der Mann verlegen seine Hand, stand auf, nahm die Tüte mit den Kostbarkeiten und verließ schlurfend meine Wohnung. Zehn Minuten später klingelte Caro. Ich musste neues Teewasser aufsetzen. September
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16. September - Maeve stattet einen Besuch ab
365und1tag, 18:37h
Liebe Maeve, Göttin der Verantwortung! Das find ich ja nett von dir, dass du mal vorbeischaust. Richtig klasse siehst du aus in deinem Wallekleid mit Diadem auf roten Haaren und natürlich Schwert und Schild und Täubchen auf den Schultern und gehörnter Kuh neben dir.
Ein bisschen getriezt fühle ich mich ja schon. Aber dann denke ich schnell daran, dass du mich ja unterstützen willst, nicht gängeln. Und ich arbeite ja sowieso gerade am Endlich-Erwachsen-Werden. Und ist das jetzt wirklich noch sooo viel, wofür ich noch keine Verantwortung übernehme, dass du extra zu Besuch kommen musst?
Mmh. Na ja, So ein, zwei Dinge fallen mir da schon ein. Peinlich, nicht, dass da immer noch was ist, worum ich mich bisher gedrückt habe. Okay. Ich spuck es aus. Ich bin selbst verantwortlich für meinen Fettpanzer. Kein Mensch hat mich gezwungen so viel zu essen und zu sammeln und mir Schutzschichten zuzulegen, nur damit ich mich nicht mit unerwünschten, unangenehmen, angstmachenden, lästigen Gefühlen herumschlagen musste. Ja, ich habe die Verantwortung für all diese Regungen, die Wut, den Zorn, die Lust, die Lebendigkeit, die Angst, die Wildheit, die Hingabe, die Ach-was-weiß-ich, eben alles, was sich so regt in mir und gerade nicht passt, weil ich mich dann streiten müsste (oh, wie ich Konflikte scheue) oder weil ich dann meine Angst oder Unwissenheit zugeben müsste. Nö, da ist es natürlich viel einfacher noch ne Pizza zu bestellen. Klar, soll sich mein armer Körper mit den ungelebten Gefühlen abplagen.
Na gut, Maeve, das war Nummer eins. Dann zeig mal, was du kannst, und lehre mich Mores, also Verantwortung zu übernehmen. Anstatt zur Gabel greife ich also in Zukunft zu Schwert und Schild und hau den Deppen eine auf die Barnazel. Wer mich ärgert, muss damit rechnen. Okay, okay, ganz so dolle wird’s nicht, dafür sitzen ja die friedlichen Täubchen auf meinen Schultern und gurren mir was vor: „Bedenke das Ende, gib dich hin, aber bedenke das Ende!“ Ja, ja! Das Rumlavieren soll ich lassen, immer auf die passiv-aggressive Tour einfach Aufgaben „vergessen“, die mir nicht passen anstatt zu sagen: „Mach ich nicht, will ich nicht!“ Wenn ich Raum brauche, mir den einfach zu nehmen anstatt auf eine glückliche Fügung zu warten, die mir die willkommene Ausrede liefert, das zu tun, was ich lieber will.
Gut, gut, Maeve. Schon kapiert! Schnauze auf statt Klappe halten, zu mir stehen, die Folgen tragen. Können ja auch ganz angenehme Folgen sein. Wahrscheinlich sind die sogar superangenehm und ich Idiotin habe aus lauter Schiss all die Jahre darauf verzichtet. Her mit dem Schwert, ich richte es auch nur zu Boden wie du es tust. Solange die anderen friedlich sind, versprochen. September
Ein bisschen getriezt fühle ich mich ja schon. Aber dann denke ich schnell daran, dass du mich ja unterstützen willst, nicht gängeln. Und ich arbeite ja sowieso gerade am Endlich-Erwachsen-Werden. Und ist das jetzt wirklich noch sooo viel, wofür ich noch keine Verantwortung übernehme, dass du extra zu Besuch kommen musst?
Mmh. Na ja, So ein, zwei Dinge fallen mir da schon ein. Peinlich, nicht, dass da immer noch was ist, worum ich mich bisher gedrückt habe. Okay. Ich spuck es aus. Ich bin selbst verantwortlich für meinen Fettpanzer. Kein Mensch hat mich gezwungen so viel zu essen und zu sammeln und mir Schutzschichten zuzulegen, nur damit ich mich nicht mit unerwünschten, unangenehmen, angstmachenden, lästigen Gefühlen herumschlagen musste. Ja, ich habe die Verantwortung für all diese Regungen, die Wut, den Zorn, die Lust, die Lebendigkeit, die Angst, die Wildheit, die Hingabe, die Ach-was-weiß-ich, eben alles, was sich so regt in mir und gerade nicht passt, weil ich mich dann streiten müsste (oh, wie ich Konflikte scheue) oder weil ich dann meine Angst oder Unwissenheit zugeben müsste. Nö, da ist es natürlich viel einfacher noch ne Pizza zu bestellen. Klar, soll sich mein armer Körper mit den ungelebten Gefühlen abplagen.
Na gut, Maeve, das war Nummer eins. Dann zeig mal, was du kannst, und lehre mich Mores, also Verantwortung zu übernehmen. Anstatt zur Gabel greife ich also in Zukunft zu Schwert und Schild und hau den Deppen eine auf die Barnazel. Wer mich ärgert, muss damit rechnen. Okay, okay, ganz so dolle wird’s nicht, dafür sitzen ja die friedlichen Täubchen auf meinen Schultern und gurren mir was vor: „Bedenke das Ende, gib dich hin, aber bedenke das Ende!“ Ja, ja! Das Rumlavieren soll ich lassen, immer auf die passiv-aggressive Tour einfach Aufgaben „vergessen“, die mir nicht passen anstatt zu sagen: „Mach ich nicht, will ich nicht!“ Wenn ich Raum brauche, mir den einfach zu nehmen anstatt auf eine glückliche Fügung zu warten, die mir die willkommene Ausrede liefert, das zu tun, was ich lieber will.
Gut, gut, Maeve. Schon kapiert! Schnauze auf statt Klappe halten, zu mir stehen, die Folgen tragen. Können ja auch ganz angenehme Folgen sein. Wahrscheinlich sind die sogar superangenehm und ich Idiotin habe aus lauter Schiss all die Jahre darauf verzichtet. Her mit dem Schwert, ich richte es auch nur zu Boden wie du es tust. Solange die anderen friedlich sind, versprochen. September
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15. September - Frau mit Jaguar
365und1tag, 15:51h
Eine Freundin von mir hat einen Jaguar. Also nicht das Tier sondern das Auto. Das ist so ein wirklich schickes, ein klein wenig gefährlich aussehendes Gefährt mit einem springenden Jaguar als Kühlerfigur.
Ihr Jaguar ist ein etwas älteres Modell, fast schon ein Oldtimer. Meine Freundin ist alleinstehend, Single, wie man das neudeutsch nennt, und besitzt außer dem Jaguar noch ein großes Haus mit Doppelgarage und Kenntnisse als Automechanikerin obendrein, anscheinend ist das bei einem alten Jaguar von Vorteil. Ja, richtig, sie ist ein außergewöhnliches Exemplar Mensch.
Nicht jede Frau ist erfolgreich im Job, hat ein großes Haus, ein tolles Auto, kann dieses auch selbst reparieren und sieht darüberhinaus auch noch gut aus. Und entscheidet sich gegen Ehe, Kinder und sonstige familiäre Verpflichtungen. Dabei ist sie nicht unglücklich. Das Klischee vermutet nun eine schlimme Kindheit oder sonstige Traumata als Hintergrund. Aber nein, die Eltern meiner Freundin haben sie stets dazu ermuntert sich selbst treu zu sein. Und das bleibt sie bis heute: Sich selbst treu.
Ab und zu hat sie mal Amouren. So nennt sie das. Aber bisher hat sie keinen Mann getroffen, der mit ihrer Unabhängigkeit über längere Zeit klar kommt. Sicherlich, irgendwo wird es diesen Menschen geben, der schätzen kann, dass meine Freundin vor allem sich selbst treu ist und nicht einem anderen Menschen oder einer Sache. Wenn ich ehrlich bin, dann bewundere ich sie für ihre Unangepasstheit und dennoch erscheint sie mir oft wie ein Monolith aus dunkler Vergangenheit oder einer unerreichbaren Zukunft, irgendwo in einer Welt gestrandet, die mit ihr rein gar nichts anfangen kann. September
Ihr Jaguar ist ein etwas älteres Modell, fast schon ein Oldtimer. Meine Freundin ist alleinstehend, Single, wie man das neudeutsch nennt, und besitzt außer dem Jaguar noch ein großes Haus mit Doppelgarage und Kenntnisse als Automechanikerin obendrein, anscheinend ist das bei einem alten Jaguar von Vorteil. Ja, richtig, sie ist ein außergewöhnliches Exemplar Mensch.
Nicht jede Frau ist erfolgreich im Job, hat ein großes Haus, ein tolles Auto, kann dieses auch selbst reparieren und sieht darüberhinaus auch noch gut aus. Und entscheidet sich gegen Ehe, Kinder und sonstige familiäre Verpflichtungen. Dabei ist sie nicht unglücklich. Das Klischee vermutet nun eine schlimme Kindheit oder sonstige Traumata als Hintergrund. Aber nein, die Eltern meiner Freundin haben sie stets dazu ermuntert sich selbst treu zu sein. Und das bleibt sie bis heute: Sich selbst treu.
Ab und zu hat sie mal Amouren. So nennt sie das. Aber bisher hat sie keinen Mann getroffen, der mit ihrer Unabhängigkeit über längere Zeit klar kommt. Sicherlich, irgendwo wird es diesen Menschen geben, der schätzen kann, dass meine Freundin vor allem sich selbst treu ist und nicht einem anderen Menschen oder einer Sache. Wenn ich ehrlich bin, dann bewundere ich sie für ihre Unangepasstheit und dennoch erscheint sie mir oft wie ein Monolith aus dunkler Vergangenheit oder einer unerreichbaren Zukunft, irgendwo in einer Welt gestrandet, die mit ihr rein gar nichts anfangen kann. September
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14. September - Kleine Gefälligkeit
365und1tag, 15:28h
„Das ist doch wirklich kein großes Ding, du kannst mich doch eben mal rüber fahren zu Klaus!“ Forderung steht in seinem Gesicht, auch Trotz und Empörung über meine Ablehnung.
Die Bedürfniserfüllungsmaschine hat heute eine Störung, tut mir leid, mein Sohn, denke ich im Stillen. Und schüttele den Kopf.
„Nein!“
„Ach menno, warum denn nicht?“
Viele Antwortmöglichkeiten schießen mir durch den Kopf. Wilde Lügen wie „Tropfen vom Augenarzt und ich sehe nicht mehr richtig“ oder „Mein Kreislauf ist so down, dass es zu gefährlich ist Auto zu fahren“ fallen mir ein. Aber erstens glaubt mir das mein Sohn ohnehin nicht – ist ja ein schlaues Kerlchen - und zweitens warum soll ich eigentlich lügen? Natürlich aus Angst. Ich mag nicht zugeben, dass ich nicht will, dass es mich ankotzt, dass ich keinen Nerv auf Supermutter reitet wieder habe. Wann bitteschön ist denn hier in dem Haushalt mal ein bisschen Zeit für mich und meine Bedürfnisse reserviert? Klar, ich bin ja selbst Schuld. Erst die Gören so verziehen und dann beschweren. Aber trotzdem. Die sind alt genug. Und dann gibt es eben Knatsch, dann haben sie Mami eben nicht mehr lieb. Meine Tochter hab ich schon verprellt, weil ich mit ihr partout nicht Gummitwist spielen wollte. Ihre Freundin Karin hat nämlich keine Zeit. Jetzt spielt sie in ihrem Zimmer mit zwei Stühlen, die die Beine der Mitspieler ersetzen. Und jetzt ist also mein Sohn dran. Will gefahren werden, dabei muss er nur aufs Fahrrad steigen und ist in einer halben Stunde bei seinem Kumpel.
Also sage ich: „Weil ich nicht will.“
„Das ist doch voll gemein von dir!“
„Ja, klar", sage ich. "Ich find es auch voll gemein, dass du dein Zimmer nicht aufräumst und putzt, den Müll nicht rausträgst, vergisst den Teller in die Spülmaschine zu stellen. – Ich will einfach nicht. Ich brauche mal einfach Zeit und Ruhe für mich ohne Fahrdienst, ohne Putzdienst, ohne Spieldienst. Ich bin schließlich nicht nur Mutter und Putzfrau.“
Mein Sohn verzieht sein Gesicht. „Geht die Leier wieder los!“
„Genau, die Leier“, sage ich. „Und ich fahre dich auf keinen Fall. Nimm halt das Fahrrad, geh zu Fuß oder sag Klaus, dass er zu dir kommen soll.“
„Du bist echt blöd“, ruft mein Sohn, dreht sich um und rauscht aus dem Zimmer. Eine Viertelstunde später schaue ich von meinem Buch auf und sehe die Mutter von Klaus vorfahren. Mein Sohn springt aus der Tür und steigt ein.
„Meine Güte“, stöhne ich, „Mütter aller Länder vereinigt euch doch endlich!“ September
Die Bedürfniserfüllungsmaschine hat heute eine Störung, tut mir leid, mein Sohn, denke ich im Stillen. Und schüttele den Kopf.
„Nein!“
„Ach menno, warum denn nicht?“
Viele Antwortmöglichkeiten schießen mir durch den Kopf. Wilde Lügen wie „Tropfen vom Augenarzt und ich sehe nicht mehr richtig“ oder „Mein Kreislauf ist so down, dass es zu gefährlich ist Auto zu fahren“ fallen mir ein. Aber erstens glaubt mir das mein Sohn ohnehin nicht – ist ja ein schlaues Kerlchen - und zweitens warum soll ich eigentlich lügen? Natürlich aus Angst. Ich mag nicht zugeben, dass ich nicht will, dass es mich ankotzt, dass ich keinen Nerv auf Supermutter reitet wieder habe. Wann bitteschön ist denn hier in dem Haushalt mal ein bisschen Zeit für mich und meine Bedürfnisse reserviert? Klar, ich bin ja selbst Schuld. Erst die Gören so verziehen und dann beschweren. Aber trotzdem. Die sind alt genug. Und dann gibt es eben Knatsch, dann haben sie Mami eben nicht mehr lieb. Meine Tochter hab ich schon verprellt, weil ich mit ihr partout nicht Gummitwist spielen wollte. Ihre Freundin Karin hat nämlich keine Zeit. Jetzt spielt sie in ihrem Zimmer mit zwei Stühlen, die die Beine der Mitspieler ersetzen. Und jetzt ist also mein Sohn dran. Will gefahren werden, dabei muss er nur aufs Fahrrad steigen und ist in einer halben Stunde bei seinem Kumpel.
Also sage ich: „Weil ich nicht will.“
„Das ist doch voll gemein von dir!“
„Ja, klar", sage ich. "Ich find es auch voll gemein, dass du dein Zimmer nicht aufräumst und putzt, den Müll nicht rausträgst, vergisst den Teller in die Spülmaschine zu stellen. – Ich will einfach nicht. Ich brauche mal einfach Zeit und Ruhe für mich ohne Fahrdienst, ohne Putzdienst, ohne Spieldienst. Ich bin schließlich nicht nur Mutter und Putzfrau.“
Mein Sohn verzieht sein Gesicht. „Geht die Leier wieder los!“
„Genau, die Leier“, sage ich. „Und ich fahre dich auf keinen Fall. Nimm halt das Fahrrad, geh zu Fuß oder sag Klaus, dass er zu dir kommen soll.“
„Du bist echt blöd“, ruft mein Sohn, dreht sich um und rauscht aus dem Zimmer. Eine Viertelstunde später schaue ich von meinem Buch auf und sehe die Mutter von Klaus vorfahren. Mein Sohn springt aus der Tür und steigt ein.
„Meine Güte“, stöhne ich, „Mütter aller Länder vereinigt euch doch endlich!“ September
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