Montag, 15. September 2008
13. September - Ihr Herz spricht
Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle, ich bin Ihr Herz! Wahrscheinlich haben Sie sich längst daran gewöhnt, dass ich in ihrer Brust schlage. Wohlmöglich beachten Sie mich kaum. Außer natürlich, wenn Sie sich gerade verliebt haben oder Sie verlassen worden sind. Da greifen Sie sich vielleicht an die Brust, um Ihr gebrochenes Herz zu halten oder Sie freuen sich, wie wild ich auf und ab Hüpfen kann vor lauter Liebe.

Nun ja, aber insgesamt muss ich doch feststellen. Sie kümmern sich viel zu selten um mich und darum, dass es mir gut geht. Und ich meine damit nicht solche Dinge wie Ausdauertraining und gesundes Essen. Natürlich schadet mir das nicht gerade. Aber noch viel wichtiger als wohlmöglich lustlos aber pflichtbewusst auf dem Cardiotrainer herumzuhampeln ist es, wenn Sie spielen, Spaß haben, herumrennen, lachen, hüpfen, knobeln, singen oder malen.

Sie glauben gar nicht wie gut mir das tut, wenn Sie sich einfach nur mal hängen lassen. Also nicht wirklich, aber so im übertragenen Sinn. Dann fließt das Blut gleich viel leichter durch Ihre Blutbahnen. Das ganze Stressige, Strenge fällt von Ihnen ab und ich schlage leicht wie eine Vogelschwinge und Sie fliegen mit mir davon in eine Welt voller Leichtigkeit und Freude. September

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12. September - Aufgespartes Leben
Es war einmal ein kleines Mädchen, das war das jüngste von 13 Kindern. Und weil die Eltern sehr arme Leute waren, hatten sie für ihr jüngstes Kind kein Leben mehr übrig und es musste das Leben von einer älteren Cousine auftragen, die es nicht mehr brauchte.

Also quälte sich das kleine Mädchen mit dem viel zu großen Leben ab. Seine Eltern hatten zwar ein paar Abnäher reingemacht und Arme und Beine gekürzt so gut es ging. Aber das Mädchen stolperte doch ständig über die losen Enden. Zum Glück fanden die Eltern noch ein altes verstaubtes Leben in einer Truhe unter dem Dach, das war von einer Großmutter übrig. Sie hofften, dass das dem Mädchen vielleicht besser passen würde. Also probierte das Mädchen das Leben an und siehe da, das von der Oma passte tatsächlich besser.

So stolperte es nicht mehr so oft. Die Leute wunderten sich nur manchmal über seine sehr bestimmten Ansichten zu ehelicher Treue, Nacktheit in der Öffentlichkeit und über sein streitbares Verhältnis zum Pfarrer, mit dem es regelmäßig religiöse Fragen erörterte. So wuchs das Mädchen heran und das alte Leben von der Großmutter fiel langsam aber sicher auseinander, wurde immer löchriger und fadenscheiniger. Da machten sich die Eltern Sorgen, wo sollten sie denn bloß noch ein haltbares Leben für ihre jüngste Tochter herbekommen. Ein Leben, das nicht gleich auseinanderriss, wenn mal einer zu laut nieste.

Aber dem Mädchen schien überhaupt nicht bange zu sein. Sie strapazierte das alte Leben der Großmuter nach Herzenslust. Denn das Mächen hatte längst bemerkt, dass die Oma heimlich große Klumpen von Lebensenergie ganz unten in den Taschen versteckt hatte. Das Mädchen wusste nicht so genau warum. Aber dort musste sie nur die Fingerspitzen hineinstecken und schon gribbelte und hippelte es überall an ihr und in ihr. Und so lachte sie nur über die Sorgen ihrer Eltern und ließ es sich wohlergehen mit dem ganzen aufgesparten Leben von der alten Großmama. September

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