Samstag, 19. Juli 2008
19. Juli - Erkenntnis
„Erkenne Deinen Feind“, sagte mein Vater immer und nickte dabei bedeutungsvoll. Und ich lauschte andächtig und nickte ebenfalls. Das erschien mir einleuchtend.

„Erkenne Deinen Feind!“ Und dann weißt du genau woher alles Gemeine und Böse auf dich zukommen wird. Du kannst dich wappnen, du kannst ihm Eins auswischen, bevor er darauf kommt dir Eins auszuwischen, dein Feind. Oder du gehst ihm einfach großräumig aus dem Weg, das ist am sichersten.

Dann kam ich aufs Gymnasium und laß über der Tür zur Aula: „Erkenne dich selbst“, natürlich stand dort in Altgriechisch Γνῶθι σαυτόν und ich musste abwarten bis es einer unserer Lehrer erklärte, was es bedeutet. Aber dann war ich erschüttert.

Wenn es so wichtig war mich selbst zu erkennen, wäre es da nicht logisch, dass ich selbst mein ärgster Feind sei. Und wenn das so wäre, welche Chance hätte ich dann, so dachte ich, mir selbst aus dem Wege zu gehen, mir Eins auszuwischen bevor ich es selber tat oder zu verhindern, dass alles Gemeine und Böse direkt von mir auf mich zukommen würde. Als ich nach Hause kam, fragte ich sofort meinen Vater danach, aber der lachte mich nur aus. Da würde ich schon noch drauf kommen, wenn ich älter wäre. Juli

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18. Juli - Krähen
Eine schwarze Krähe saß auf dem Zaun und wippte mit dem Schwanz. Ich wusste genau, wenn ich noch ein paar Schritte auf sie zugehe, dann breitet sie die großen schwarzen Flügel aus und erhebt sich in die Lüfte.

Dann zieht sie einen Halbkreis über mir und landet irgendwo auf dem Rasen in der Nähe der Landebahn. Warum die Krähen mich fürchten, weiß ich nicht so genau. Vielleicht sehe ich der Vogelscheuche ähnlich, die ohnehin keiner mehr aufstellt. Oder ich ähnele dem Bauern, der die nimmersatten Krähen gerne abknallen würde, das aber nicht darf.

Manchmal balancieren fünf, sechs oder sogar acht Krähen auf dem Zaunrand. Dann sehe ich, wie eine antäuscht, die nächste mit den Flügeln zuckt und sie doch sitzenbleiben bis zum letzten Augenblick – bis sie alle wie ein schwarzes Gestöber in den Himmel aufflattern. Juli

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17. Juli - Ich bin...
...viele. Die Reise durch die bizarre Landschaft meiner ICHs und SELBSTs, der UNTERMICHs und AUSSERMIRs ist noch lange nicht vorbei.

Natürlich ist mir das ein bisschen unheimlich, dass es in Wahrheit so wenig gibt, dass ich von mir mit Sicherheit behaupten kann. Ewig wandelbar, vielleicht festgelegt in gewissen Grenzen - weiblich, Westeuropäerin - bin ich vielleicht doch in der Lage alles Mögliche mehr oder weniger zu sein. Wenn ich es will, wenn ich mich traue, wenn ich mir weiter vertraue. Juli

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